Eine Kirche ohne die Arbeiter ist nicht die Kirche Jesu Christi! (Joseph Cardijn)
Nach dem Krieg wurde die KAJ in Österreich durch P. Josef Zeininger 1946 in der Wiener Pfarre Krim gegründet. In den Jahren danach war es für junge Priester geradezu Mode bei der KAJ, der Katholischen Arbeiterjugend zu sein. Auch die Katholische Arbeiterbewegung KAB wurde einige Jahre später ins Leben gerufen.
Beide Bewegungen fanden in allen österreichischen Diözesen ihre Anerkennung. Cardijn, aber auch die (französische) Bewegung der Arbeiterpriester beeinflussten das 2. Vatikanische Konzil so sehr, dass im anschließendem Österreichisch Synodalen Vorgang 1973 es ausdrücklich festgehalten wird: „In den Diözesen mit industriellen Ballungsräumen ist ehestmöglich zumindest ein spezielles Seelsorgezentrum zu errichten …“ (Nr. 9).
Hintergrund waren Orte, an denen sich Arbeiter:innen treffen konnten, insgesamt war es das Anliegen einer Humanisierung der Arbeitswelt, für das sich die Synodenteilnehmer:innen aussprachen. Es entstanden in der Folge vor allem in der Linzer Diözese einige sogenannte Betriebsseelsorgezentren, auch in jenen von St. Pölten, Graz, Innsbruck und Salzburg.
Aber mit dem Tod Cardijns schwand auch die kirchenobrige Begeisterung für die Arbeiterschaft. Die KAJ musste sich immer wieder den Vorwurf gefallen lassen zu links zu sein, auch andere Einrichtungen wie das Betriebsseminar in Linz war davon betroffen. Letzteres wurde zugesperrt, die KAJ verschwand in einer Diözese nach der anderen, in Wien in der Zeit des Wartens auf einen neuen Erzbischof (nach Kardinal König).
Auch die (noch existierende) KAB und die Betriebsseelsorgezentren verlieren an Ressourcen. Gespart wird eben an den Rändern! Zwar haben die österreichischen Bischöfe zwischendurch in ihrem Sozialhirtenbrief 1990 festgestellt: „Es bedarf erneuter Anstrengungen in der Pastoral für die Menschen in der Arbeitswelt.“ (Nr.5) Aber keine Sorge, es blieb ruhig in der Kirche Österreichs. Gab es zu diesem Zeitpunkt in Österreich noch in 4 Diözesen Arbeitlosenfonds oder –stiftung, existiert heute nur mehr jene in Linz. Was die Kirche in Österreich von Arbeiterbewegung, Arbeitsrecht oder Gewerkschaftlicher Organisation hält zeigt sich an der Tatsache, dass nur 3 Diözesen einen Kollektivvertrag für ihre Beschäftigten haben.
Warum braucht es aber die Arbeiternehmer:innenpastoral heute? Weil jene, die in diesem Bereich tätig sind am weitesten draußen sind, dort wo Kirche nicht hinkommt. Einerseits sind das Betriebe, Geschäfte und Einkaufszentren, aber auch hin zu jenen Menschen, die prekär beschäftigt sind, von den Zustellern bis hin zu den Pflegekräften. Auch in den Krankenhäusern gab und gibt es Betriebsseelsorge. Die Ausbildung dafür (beheimatet im Cardijnhaus in Linz) heißt dementsprechend auch HINGEHEN.
Die klassische Arbeiterschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten weitgehend aufgelöst. Die Digitalisierung unserer Umwelt führt nicht nur zur Veränderung in der beruflichen Arbeit, sondern geht bis in die Haushalte. Arbeitszeit und Freizeit verschwimmt Zusehens, Arbeiten werden ausgelagert, wir bedienen uns weitgehend selbst, Arbeitskräfte werden eingespart, manches wird von zuhause erledigt. Die Digitalisierung aller Bereiche schreitet voran. Damit passiert Ausgrenzung, gleichzeitig werden Strukturen zerstört. Die Folge ist Arbeitslosigkeit und eine massiver Veränderung unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Vor allem jene, die in dieser Entwicklung in Gefahr sind Verlierer zu werden, haben unsere Solidarität. Die Pastoral in der Arbeitswelt fühlt sich der Botschaft des Papstes verbunden: Er klagt ein Wirtschaften an, bei dem Menschen zum Abfall werden und weist darauf hin, dass unser Gott nicht das Geld ist, an dem sich weite Teile der Wirtschaft orientieren, sondern unser Platz bei den Armen und Benachteiligten dieses Systems sein muss, weil wir dem Gott des Lebens da besonders nahe sind. Er verweist auf die Natur als Schöpfung Gottes, die zu bewahren uns aufgetragen ist.
In diesem Sinne ist diese Pastoral Solidarische Kirche „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen.“ (Ex 3,7). In der Geschichte der Arbeiterschaft war Solidarität oft verbunden mit Entbehrung, Tränen und Schweiß, aber auch mit aufrechtem Gang, kleinen Erfolgen, mit Arbeitskampf und Widerstand und langfristiger Veränderung. „Solidarität ist zweifellos eine christliche Tugend“ (Solicitudo rei socialis 40).
Sie ist Prophetische Kirche, die sich an den Texten der Bibel orientiert und aufsteht gegen die Ungleichverteilung von Arbeit und Ertrag, von Ansehen, Einfluss, Bildung und sozialer Sicherheit. Sie gibt jenen Stimme, die „nichts zu sagen haben“ schafft Orte des Vertrauens, wo Menschen befreiend erleben können: „Ich kann etwas sagen! Ich habe etwas zu sagen!“
Und sie ist Missionarische Kirche. Jesus Christus gibt Beispiel, die Menschen und ihre Situation ernst zu nehmen, nämlich vor Ort zu sein, draußen, eben da wo Menschen arbeiten und leben. Das 2. Vatikanische Konzil beschreibt die missionarische Aufgabe der Kirche und stellt fest, dass sie in den menschlichen Gruppen gegenwärtig sein soll durch das Beispiel des Lebens und das Zeugnis des Wortes. Sie soll den Menschen in Achtung und Liebe verbunden sein. „Die Kirche soll schließlich bei der Aufrichtung einer gesunden Wirtschafts- und Sozialordnung mitarbeiten.“ (Missionsdekret Nr. 10-12)
In diesem Sinne ist Pastoral in der Arbeitswelt immer eine Hin-Geh-Kirche.
Karl Immervoll, Bundesseelsorger der Katholischen Arbeitnehmer:innenbewegung Österreich
Das ist die Kurzfassung seines Kommentars. Die Langversion finden Sie hier ...