Kann denn Arbeit Sünde sein?
„Die Einbrecher“, so sagt der Volksmund, „gehen in der Nacht arbeiten!“ und beschreibt damit treffend das Problem, dass wir, obwohl wir doch alle unsere Arbeit verrichten, eigentlich nicht sagen können, was Arbeit ist.
Arbeit ist ein Wort unserer Umgangssprache und hat mit all deren Worten das eine gemeinsam, dass wir sie in einer Vielzahl von Bedeutungen gebrauchen. Gesichert scheint aber, dass die These des amerikanischen Ökonomen Jeremy Rifkin vom „Ende der Arbeit“ als Nachruf verfrüht war. Denn immer deutlicher tritt zutage, dass Erwerbsarbeit nach wie vor der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe ist, weil wir ohne Geld all die Produkte, die man haben muss, um dazu zu gehören, nicht kaufen kann. „Consumo ergo sum“ – ich konsumiere, also bin ich – ist die Botschaft, die täglich über Millionen Bildschirme flimmert und die unser gesellschaftliches Leben prägt.
Der „Beruf“ mit dem man sein Geld verdient, ist für die meisten Menschen ein unverzichtbarer Teil ihrer Identität geworden. Mehr noch: es scheint bereits ein Weltbild zu geben, in der die ganze Welt als Baustelle verstanden und jede Tätigkeit zur Arbeit wird: Probenarbeit, Trauerarbeit, Beziehungsarbeit,…
Längst hat sich auch in der Christlichen Soziallehre ein Bedeutungswandel vollzogen: Arbeit wird als „Teilhabe am Schöpfungsauftrag Gottes“ verstanden, aus der dem Menschen seine besondere Würde erwächst. Der Mensch gewinnt seine Würde also nicht aus der Arbeit, sondern die Arbeit besitzt eine Würde, weil der Mensch sie verrichtet. Wörtlich wird Arbeit von der Christlichen Soziallehre als „bonum arduum“ bezeichnet: Arbeit erfordert also Anstrengung – aber sie ist kein Übel, am allerwenigsten ein Fluch; sie ist objektiv ein Wert oder Gut!
Da uns im beginnenden 21. Jahrhundert in Europa andere Vermittlungsformen für den Selbstwert weitgehend unvertraut geblieben sind, haben wir auch keine echte Lebensalternative zur Arbeit und so wird die Erwerbs-Arbeitslosigkeit – zu Recht – als auf Dauer menschenunwürdiger Zustand empfunden. Allerdings hat beim Verständnis, was Arbeit ist und was nicht, eine Verengung stattgefunden.
Nur die bezahlte Erwerbsarbeit wird als „echte Arbeit“ angesehen und mit gesellschaftlicher Achtung und Anerkennung verbunden. Dieses Denkmuster entpuppt sich immer mehr als Sackgasse, weil das in den letzten Jahrzehnten relativ gut funktionierende Zusammenspiel von Produktivität, Arbeitskräftebedarf und Konsum immer unübersehbarer aus dem Gleichgewicht kippt.
Andreas Gjecaj
Generalsekretär der Fraktion Christlicher Gewerkschafter/innen – FCG im ÖGB und Präsident der Kath. Aktion Steiermark
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