Industrieviertel-Akademie: Es braucht einen sozialen Arbeitsmarkt.
„Integration ist ein lebenslanger Prozess. Es geht immer wieder darum, als Teil einer Gesellschaft einen Platz zu finden bzw. diesen Platz auch angeboten zu bekommen. Wenn es keinen Platz gibt, wo soll ich hin. Und wenn ich diesen nicht einnehme, wer soll ihn nehmen. Es ist immer ein gegenseitiges Geben und auch Nehmen“, sagte die Sozialarbeiterin Lisa Kolb-Mzaoulet vom Integrationsservice des Landes Niederösterreich beim Podiumsgespräch der ersten „Industrieviertel-Akademie“, die auf Einladung der Katholischen Aktion, des Katholischen Bildungswerks, der Zeitschrift „Der Sonntag“ und des Bildungszentrums St. Bernhard in Wiener Neustadt am 10. März 2017 rund 100 Personen aus allen Teilen des Industrieviertels – von Purkersdorf bis Thomasberg am Wechsel – besuchten.
„Sobald das Gegenüber einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte hat, funktioniert Integration“
„In unserer Diözese haben 250 Pfarren 1100 Flüchtlinge und Asylwerber untergebracht, das sind im Schnitt fünf Personen. Auf dieser kleinräumigen Ebene geschieht enorm viel Beziehung und Begegnung. Sobald das Gegenüber einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte hat, funktioniert Integration“, konkretisierte Rainald Tippow, Leiter der Pfarrcaritas. Er ergänzte: „Am Weihnachtsfest 2016 haben wahrscheinlich noch nie so viele Muslime in Kirchenchören gesungen und die Weihnachtskrippen hergerichtet, zum muslimischen Fastenbrechen im Juni 2016 noch nie so viele Mitglieder aus katholischen Gemeinden an diesen Iftar-Feiern mitgemacht“.
„Für einen spätindustriellen Arbeitsmarkt, wo es um Wissen, Kompetenz und Technologie geht, ist eine große Migrationsbewegung mit Menschen, die diese Qualifikation nicht haben, eine riesige Herausforderung. Der freie Markt allein wird das alles nicht lösen können, es braucht einen sozialen Arbeitsmarkt, in dem gemeinnützige Beschäftigung organisiert wird“, betonte Georg Grund-Groiss, der Leiter des Arbeitsmarktservice Wr. Neustadt. Und der Bischofsvikar des Südvikariats, Pater Petrus Hübner, sieht im diözesanen Entwicklungsprozess eine besondere Chance: „Mehrere Menschen sind für die größere Einheit ‚Pfarre Neu‘ zuständig und man kann sie dort einsetzen, wo man sie braucht und wofür sie geeignet sind. Wer für die Integrationsarbeit eine Begabung und einen Zugang hat, kann dies auch für die anderen Gemeinden übernehmen.“
Auf gleicher Augenhöhe kommunizieren – Synergien herstellen
„Zur Integration führt, wenn Migranten Kontakt zu österreichischen Bürgern haben, wenn wir auf gleicher Augenhöhe kommunizieren“, berichtete Karoline Anhammer von der Flüchtlingsbetreuung des Roten Kreuzes in Baden, die im August 2015 Afghanen, Pakistaner und Syrer untergebracht hat. Direktor Bertram Zottl von der BHAK/BHAS Baden hat daraufhin Übergangsklassen für „International Students“ eingerichtet: „Von 55 haben 34 die A2 Prüfung gemacht, 17 in der Abendschule weiter gemacht“. Bei einem Fest für 250 Leute wurde mit Töpfen des Islamischen Kulturvereins beim Roten Kreuz gekocht und in der Katholischen Pfarre gegessen. „Integration kann gelingen, wenn Synergien hergestellt werden“, resümierte Zottl, der mit ihnen auch die „selling sunshine“-Idee entwickelte.
Michael Gaßmann von der Katholischen Aktion stellte das Mentoring-Projekt „Hands On“ vor, mit dem 14 - 23-jährige Ausbildung- oder Arbeitsplatz suchende Jugendliche begleitet werden, www.jobbegleitung.at. Annemarie Ackerl von der kfb berichtete, durch die „Flüchtlingswelle“ wurde der Verein „Mannersdorf hilft“ gegründet, der inzwischen mehr als 50 Personen in den Bereichen Sprache (2x wöchentlich kostenloser Deutschunterricht), Infrastruktur (Wohnungen, Einrichtung), Freizeitaktivitäten (Integration in Jungschar, Jugend, interkulturelle Kochnachmittage, …), (Geld- und Sach-)Spenden und allgemeine Unterstützung (bei Ärzten, Behördenwegen, Rad fahren …) unterstützte. Bildungsmanager Peter Maurer stellte das von der Caritas, der Stadt Wiener Neustadt und dem Bildungszentrum St. Bernhard getragene Begegnungscafé vor, das kennenlernen, wechselseitiges Verständnis, Orientierung und Austausch auf Augenhöhe für AsylwerberInnen und ÖsterreicherInnen bietet.
Unter den Besucherinnen waren mehrere Politiker wie die Wiener Neustädter Gemeinderäte Martin Aksentowicz, Meral Karats, SPÖ, Dietmar Seiser, FPÖ, Michael Diller-Hnelozub von den Grünen oder der Bürgermeisterberater Alois Baumgartner und zahlreichen Vertreter der Zivilgesellschaft. Das österreichisch-syrische Duo Christoph und Amer sorgte für die musikalische Umrahmung und das syrische Paar Hekmat und Oula für die köstlichen Speisen, was viele zum Gedankenaustausch nützten.
Markus Langer, Franz Vock