Gemeinderatsantrag nach der Klimakonferenz
Boden ist eine wertvolle Ressource – und Österreich geht fahrlässig damit um. Täglich werden bei uns 11,5 ha Boden pro Tag versiegelt, der schlechteste Wert in ganz Europa. Wiener Neustadt gilt als „Betonhauptstadt“ Österreichs und war bereits 2019 mit 583 m²/Person Spitzenreiter in Sachen Bodenverbrauch. Immer mehr Menschen fragen sich: Woher soll in Zukunft unser Essen kommen? Welcher Boden kann die spärlichen Niederschläge speichern und regional die Folgen der Erderhitzung abmildern?
Abseits der Parteipolitik wird nun ein Instrument der direkten Demokratie benutzt, um die Politik zur Kursänderung zu bewegen. Der Initiativantrag „Freie Felder – Bodenschutz in Wiener Neustadt“ muss im Gemeinderat behandelt werden, wenn mindestens 500 Wahlberechtigte (Hauptwohnsitz in Wr. Neustadt, Alter über 16 Jahre) mit ihrer Unterschrift dafür einstehen. Erhältlich ist die Liste auf Anfrage per Mail: dave@kock.at
Die Proponenten Dave Kock (21, selbständiger Webdesigner) und Pia Lutterschmidt (21, Studentin) sind optimistisch, die notwendigen 500 Unterschriften zu erreichen.
Dave Kock: „Alles soll grüner und nachhaltiger werden, im gleichen atemzug führt die Politik aber aktionen durch die genau dies verhindern. Die meisten Bürger:innen verstehen dieses hin und her zurecht nicht. Die Politik sollte sich an der Nase nehmen und die entscheidungen treffen und die wahrheit offen herraus sagen.“
Pia Lutterschmidt: „Unser Antrag ist das Ergebnis sorgfältiger Überlegung und langer
Beschäftigung. Der Gemeinderat kann ihn schwer ablehnen und gleichzeitig behaupten, Bodenschutz ernst zu nehmen.“
Konkret geht es im Antrag um die 37 Hektar hochwertigen Ackerboden östlich des Akademieparks. Diese Fläche soll nach den Plänen der Stadt als Gewerbegebiet verbaut werden. Dieses Vorhaben fügt sich ein in die umstrittenen Straßenprojekte „Ostumfahrung“ (ein Projekt des Landes NÖ, gegen das bereits 5000 Menschen unterschrieben haben) und dem Ausbau der S4 (ein ASFINAG-Projekt), die beide dazu dienen mehr Verkehr in die Stadt und zu neuen Gewerbegebieten zu bringen. Im Süden und Westen von Wiener Neustadt sind weitere 200 Hektar langfristig als „Erweiterungsgebiete für flächenintensive Betriebe“ vorgesehen. All diese unverhältnismäßig großen neuen Gewerbegebiete dürften die Kommunalsteuern heben, allerdings nur auf Kosten der Lebensqualität in Wiener Neustadt.
Zahlen, Fakten und Zusammenhänge:
Wiener Neustadt „Betonhauptstadt“ Österreichs:
Wr. Neustadt war bereits im Jahr 2019 mit 583 m²/Person (Amt für Eich- und
Vermessungswesen) Spitzenreiter im Bodenverbrauch. Bis 2030 sind weitere Hektar Gewerbeflächen am Stadtrand geplant. Das bestätigt auch das Bundesverwaltungsgericht, dass im Rahmen der UVP zur „Ostumfahrung“ „die bessere Erschließbarkeit der Gewerbeflächen“ als Hauptziel dieses Projekts benannt hat.
Wiener Neustadt „Leerstands-Spitzenreiter“ Österreichs:
Die neuen Gewerbeflächen am Stadtrand würden die Kaufkraft aus der Wiener Neustädter Innenstadt und den Ortskernen der Umlandgemeinden weiter absaugen. Schon im Jahr 2019 war Wiener Neustadt auch mit einer Innenstadt-Leerstandsquote von 26,5 % negativer Spitzenreiter in Österreich.
Ernährungssicherheit egal?
Die Böden um Wr. Neustadt sind enorm fruchtbar (laut einer AGES-Studie Kategorie A). Trotzdem sollen diese Böden unter Asphalt verschwinden. Pro Hektar könnte man jährlich 55 Tonnen Karotten oder 40 Tonnen Erdäpfel ernten, bei Weizen sind es im Schnitt 7,5 Tonnen. Das wären auf den bedrohten 37 Hektar östlich des Akademieparks (bei ca. 850 g Weizen pro Kilogramm Brot) 326.470 Laib Brot, die man auf nur dieser Fläche erzeugen könnte.
Keine Rücksicht auf Stadtklima, Naherholung & sanfte Mobilität:
Werden weitere Flächen versiegelt, sammelt sich umso mehr Hitze im Stadtinneren. Die Felder um die Stadt sind die Landwirtschaft von Bedeutung, aber auch für das Landschaftsbild und die Naherholung der lokalen Bevölkerung. Nicht zuletzt grenzen die Felder im Osten der Stadt an den Akademiepark, zwei Pflege- und Betreuungseinrichtungen und ein Thermenradweg an, welche durch die großflächige Verbauung beeinträchtigt wären. Und gerade am Stadtrand verursachen Gewerbegebiete zusätzlichen PKW- und LKW-Verkehr,
was Lärm, Luftverschmutzung und ein Hindernis für die Mobilität von FußgängerInnen und RadfahrerInnen erzeugt.
Pia Lutterschmid, Sophie Gatschnegg und KA-Generalsekretär Christoph Watz am Hauptplatz in Wiener Neustadt
Download Presseaussendung_Freie Felder
Download Begleitender Leitfaden zum Initativantrag
Die Idee eines Initiativantrags entstand bei einer Klimakonferenz, von der bereits berichtet wurde:
NÖN Industrieviertelakademie - Vom Wunsch zum Projekt: FairWandel-Klimakonferenz in Wiener Neustadt - NÖN.at (noen.at)
KA Vom Herzensanliegen zum konkreten Projekt (ka-wien.at)