WB Stephan Turnovszky: Mehr überzeugte Christen in die Politik
Ausgehend von der aktuellen Ukraine-Krise betonte die Wiener Politikwissenschaftlerin Univ.-Prof. in Sieglinde Rosenberger, dass „die Demokratie als Wert nochmals eine neue und tiefe Bedeutung“ bekommen habe an der 33. Weinviertel-Akademie über „Demokratie und Kirche – ein Widerspruch?“ in ihrem Impuls-Vortrag, wozu die Katholische Aktion im Weinviertel gemeinsam mit der Bildungsakademie Weinviertel, dem Katholischen Bildungswerk Wien und dem Verein „Weinviertel-Akademie“ am 3. März 2022 in das Gemeindezentrum von Großrußbach eingeladen hatte.
Menschen verbinden und eine Stimme leihen …
So sehe der russische Patriarch Kyrill die Intervention Russlands in der Ukraine als notwendigen Kampf gegen die „Mächte des Teufels“ erläuterte Rosenberger, die hingegen darin „eine enge Versäulung von Staat und Religion“, die der Demokratie widerspreche sieht. Heute gehe es darum, Haltungen der Partizipation einzuüben, wie sie im Leitbild der Pfarrgemeinderäte Österreichs beschrieben werden. Die „Gesellschaft“ sei geprägt von Pluralisierung und gleichzeitiger Individualisierung. Neben einer „wachsenden Diversität“ sei zugleich auch „eine wachsende soziale Ungleichheit“ festzustellen. Aufgabe der Kirchen und Religionsgemeinschaften sei es, „Menschen zu verbinden“, sagte Rosenberger.
Gegenwärtig nehme die Polarisierung zu; „Gruppen stehen sich gegenüber, die nichts mehr verbindet“, so Rosenberger, die vor dem Rückzug warnte und für „Brücken zu bauen“ plädierte. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Religion und Politik erinnerte sie an das Schlagwort: „Die Kirche ist eine politische, aber keine parteipolitische Kirche.“ Heute erlebten die Kirchen und Religionsgemeinschaften „einen Bedeutungsverlust“, Religion werde mit kultureller Bedeutung in Verbindung gebracht, Stichwort: „Christliches Abendland“. Von der Demokratie könnte die „Organisation von Unterschieden“ gelernt werden, das Prinzip der Entscheidungsfindung wie auch die sogenannte Verhandlungsdemokratie. Die Pfarrgemeinderäte würden „Beteiligung und Zusammenhalt“ leben, das Gemeinwohl interpretieren und „jenen eine Stimme leihen, die keine Stimme in der Gesellschaft mehr haben“, schloss Rosenberger.
Die Besten der Gesellschaft begeistern …
Karl Wilfing, der Präsident des Niederösterreichischen Landtages, erinnerte in seinem Statement, „dass Kirche und Politik kein Widerspruch“ seien, sondern „eine Ergänzung“ darstellen. „Die Kirche gibt den Menschen immens viel Halt im Leben“, betonte der gläubige Politiker. Es gehe darum, „die Besten der Gesellschaft zu begeistern, damit sie sich in Politik, Gesellschaft und Kirche einbringen und engagieren“.
Weihbischof Stephan Turnovszky, Bischofsvikar für das Weinviertel und das Marchfeld, warnte vor einer „politisierten Religion“, der es oft nur darum gehe, „christliche Kultur zu beschützen“. Dies sei „eine Banalisierung und Verflachung“, so Turnovszky, „obgleich Religion Kultur prägt und schenkt“. Zweck der Religion sei allerdings, „Gott zu suchen, zu finden, zu ehren“. Eine gewisse Pluralität finde sich schon bei den zwölf Aposteln, die Jesus ausgewählt hatte. Darunter fänden sich ein Zöllner als Kollaborateur der Römer und ein gegen die Römer kämpfender Zelot. Kirche sei keine Demokratie, wenngleich es demokratische Elemente wie die bevorstehende PGR-Wahl in der Kirche gebe, so Turnovszky. Hinsichtlich der Gesellschaft liefere Kirche „Grundwerte“, etwa jenen, „dass jeder Mensch gleich an Würde ist“, ausgehend von der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Die Pfarren am Land seien jene Orte, wo sich „alle Menschen zugehörig fühlen können“. Turnovszky wünscht sich „mehr Christinnen und Christen, die sagen, dass der Glaube wichtig ist, sodass sie gerne in die Politik gehen“.
Franz Knittelfelder, der Direktor der Bildungsakademie Weinviertel und Johann Schachenhuber, der Vorsitzende der Katholischen Aktion im Weinviertel und Marchfeld, freuten sich im Gemeindezentrum Großrußbach und über die digitalen Medien 70 BesucherInnen begrüßen zu können. Darunter waren Bürgermeister Josef Zimmermann von Großrußbach, die Referentin des Abends, Univ.-Prof. in Sieglinde Rosenberger, der Präsident des Niederösterreichischen Landtags Karl Wilfing und WB Stephan Turnovszky am Podium, die Moderatorin der Podiumsdiskussion Anja Appel von der Koordinierungsstelle für internationale Zusammenarbeit der Österreichischen Bischofskonferenz, KA-Generalsekretär Christoph Watz, der neu gewählte KMB Diözesanobmann Johann Schachenhuber, der ehemalige Präsident des Katholischen Laienrates Österreichs Theodor Quendler und Claudia Stifter, die Witwe des verstorbenen Vorsitzenden des Vereins Weinviertel-Akademie Martin Stifter, für den eine Kerze entzündet und eine Gedenkminute eingelegt wurde. Franz Knittelfelder, der Direktor der Bildungsakademie Weinviertel, ist inzwischen Martin Stifter als Vorsitzender des Vereins Weinviertel-Akademie nachgefolgt.
Für die musikalische Gestaltung des Abends sorgten Judith Faber, Veronika Stadlbacher und Markus Jüttner als VertreterInnen der Katholischen Jugend aus dem Weinviertel. Weihbischof Stephan Turnovszky erteilte nach dem gemeinsamen Abschlussgebet der TeilnehmerInnen allen den Segen. Lange noch wurden die Fragen des Abends von den TeilnehmerInnen bei Weckerln und Wein weiter erörtert.
Getragen wird die „Weinviertel-Akademie“ von den Gliederungen der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien wie der Katholischen Frauenbewegung, der Katholischen Männerbewegung, der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung, der Katholischen Jungschar und der Katholischen Jugend, von der Bildungsakademie Weinviertel, dem Katholischen Bildungswerk Wien, dem Verein „Weinviertel-Akademie“ und vom „Sonntag“ - der Kirchenzeitung der Erzdiözese Wien.
Stefan Kronthaler, Franz Vock