Das Plastiksackerl und die Energiewende
Fragt man die Menschen, welchen Beitrag sie für den Umweltschutz leisten können und wollen, so nennen die meisten den Verzicht auf das Plastiksackerl und das Ausschalten des Stand-By-Modus bei Elektro-Geräten. Für Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, sind das lobenswerte Beiträge. Allerdings fallen Anliegen wie moderne Heizungs- und Wärmesysteme, weniger fliegen und weniger Fleisch essen mehr ins Gewicht der Klima-Bilanz. Rogenhofer wies in ihrem Vortrag bei der 31. Weinviertelakademie im Bildungshaus Schloss Großrußbach darauf hin, dass der Energieverbrauch, vor allem durch Öl, Gas und Kohle bedingt, sich weltweit versechsundzwanzigt habe, während die Zahl der Weltbevölkerung nur um das Fünffache gestiegen sei.
„Für Klimafreundlichkeit müssen wir uns entscheiden“
In Österreich werde in den nächsten Jahren die Zunahme der Temperatur um 2 Grad erwartetet, während global betrachtet nur mit 1,1 Grad mehr gerechnet wird. Rogenhofer erinnerte daran, dass Extremwetterereignisse wie Trockenheit, Waldsterben und Überflutungen zunehmen würden. Schon bei einem Temperaturanstieg von 0,5 Grad würden weltweit hunderte Millionen Menschen von Armut bedroht und sich auf die Flucht begeben. „Die Kosten des Nichts-Tun sind so hoch, das hat mich wütend gemacht“, begründete Rogenhofer ihr Engagement beim Klimavolksbegehren. Die Vorteile einer guten Klimapolitik liegen auf der Hand, ist sie überzeugt: Die regionale Wertschöpfung steigt, neue Arbeitsplätze würden geschaffen und auch die Gesundheit würde sich verbessern. „Klimaschädliches Verhalten ist die Norm, für Klimafreundlichkeit müssen wir uns entscheiden“, sagte sie.
Das Klimavolksbegehren hatten heuer 380.590 Menschen unterschrieben, jetzt werden die Anträge im österreichischen Parlament behandelt. „Es liegt in unserer Hand“, unterstrich Rogenhofer: „Denn wir sind mehr als Konsumentinnen.“ Politiker sollten auf das Anliegen des Klimaschutzes aufmerksam gemacht werden, im eigenen Einflussbereich gehe es darum, im Beruf, in der Gemeinde und in der Familie aktiv zu werden. Es gehe nicht darum, mit Angstparolen die Menschen einzuschüchtern, so Rogenhofer, sondern um die Dringlichkeit der Herausforderungen des Klimawandels wie Waldbrände oder Artensterben. „Unser gemeinsames Haus, Mutter Erde, brennt gerade“, so Rogenhofer. Ihre Vision für 2040? „Wir werden in grünen Städten leben“, so Rogenhofer: „Es wird mehr repariert und nicht weggeworfen und es wird mehr geteilt werden.“
Von der Haben- zur Sein-Gesellschaft
Für Herbert Greisberger, Geschäftsführer der Energie- und Umweltagentur des Landes Niederösterreich (ENU), ist es notwendig, „aus Öl und Gas herauszukommen“. „Ein nachhaltiger Lebensstil ist kein schlechter Lebensstil“, ist Greisberger überzeugt. Wichtig sei „das persönliche Verhalten, die Vorbildwirkung“. Das Weinviertel sei „die Region der Energiewende“, am leichtesten sichtbar durch die zahlreichen Windräder. Seine Vision für 2040: „Wir werden uns von der Haben-Gesellschaft zur Sein-Gesellschaft gewandelt haben.“
Weihbischof Stephan Turnovszky: „Ohne das eigene Vorbild ist man nicht glaubwürdig“
Für Weihbischof und Bischofsvikar Stephan Turnovszky ist Schöpfungsverantwortung eine „Form der Nächstenliebe“. Er sieht Lebensschutz und Ökologieschutz zusammen. Schöpfungsverantwortung sei „angewandte Nächstenliebe“, auch im Hinblick auf die kommenden Generationen. Turnovszky unterstützt den jugendlichen Klima-Protest von „Friday for future“ und nannte als mögliche Handlungsfelder das Energie-Sparen und den schonenden Umgang mit den Ressourcen. Er selbst fährt „gerne mit der Bahn“. Die jungen Menschen bewege heutzutage die Frage nach der Zukunft, sie wollen Gewohnheiten ändern, betonte der Weihbischof.
Turnovszky nannte das glaubwürdige, schöpfungsverantwortliche Leben als beispielhaft. In jeder Diözese Österreichs gebe es Umweltbeauftragte, im Vikariat Nord einen Arbeitskreis Schöpfungsverantwortung. Und in jeder Pfarre sollte es eine Person für Schöpfungsverantwortung geben, um das Thema im kirchlichen Leben zu verankern. Christen und Pfarren sollten verstärkt Themen der Schöpfungsverantwortung auf der lokalpolitischen Ebene einbringen.
Die Vision des Weihbischofs für 2040? Auch er hofft wie Rogenhofer auf einen schöpfungsverantwortlichen Lebensstil. Allerdings habe der Corona-Lockdown bis jetzt keine wirkliche Veränderung und Erneuerung gebracht. Technologie werde in Zukunft eine große Bedeutung haben, höhere Sprit-Preise hätten mehr Kostenwahrheit. Turnovszky träumt von einem Kombi-Verkehr mit Zug und Auto.
Mit der Jugend …
Judith Faber, die Vorsitzende der Katholischen Jugend (KJ), nannte die „Faire KJ“ als Ziel. Ihre Anliegen: „Was kann ich besser machen, wo kann ich für Nachhaltigkeit sensibilisieren?“ Faber kauft gerne regional ein und achtet auch beim Kleidungs-Kauf auf ökologische Kriterien. Ihre Vision für 2040: „Ein Umdenken hat dann stattgefunden im Hinblick auf ein bewussteres Leben.“ Faber war gleichzeitig auch Teil der Musikgruppe der Katholischen Jugend, die für die musikalische Umrahmung der Weinviertel-Akademie sorgte, dabei den bereits 1988 von Heinz Stadlbacher verfassten Song „Mutter Erde“ mit diesem erneut darbot.
Mehrere Gruppen berichteten in der Pause der Weinviertel-Akademie – auch für die Online zugeschalteten Besucherinnen – wie sie ihre Schöpfungsveranwortung konkret wahrnehmen. Andreas Mathes erzählte dabei über die Arbeit des Reparatur-Cafes Korneuburg, Regina Engelbrecht für die ENU-Hollabrunn. Rosi Gmeiner von der kfb stellte Pfarrgemeinde Fair Wandeln mit den drei Schwerpunkten Ökologisch, Sozial und Fair vor, der Leiter des Umweltbüros der Erzdiözese Wien, Markus Gerhartinger, die Aktion Autofasten. Über die neu entwickelten Klima-Konferenzen, die Pfarrgemeinden mit anderen Kooperationspartnern wie z.B. den politischen Gemeinden und den Kindern durchführen können, berichtete Michael Gassmann vom Umweltbüro. Und Judith Faber skizzierte das ökologische Engagement der KJ.
… und Online in eine neue Win-Win-Situation
„Ohne Gott gelingt das Leben nicht, das weiß ich aus eigener Erfahrung“, hatte der Vorsitzende der Katholischen Aktion des Weinviertls, Johann Schachenhuber, schon einleitend bei seiner Begrüßung gesagt. Mit Schachenhuber freute sich der Direktor des Bildungshauses, Franz Knittelfelder, über die zahlreichen Gäste, die unter Beachtung der Corona-bedingten Schutzmassnahmen die Weinviertel-Akademie besuchten, darunter der Präsident der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien, Walter Rijs, und Bischofsvikar a.D. Mathias Roch. Der Chefredakteur der Zeitschrift „Der Sonntag“, Michael Ausserer, moderierte das Podiumsgespräch mit Rogenhofer, Greisberger und WB Turnovszky, der bei dem von der KJ gestalteten Abschluss auch zum gemeinsamen Gebet und Segen einlud. Knittelfelder dankte auch dem Pfarrer von Laa an der Thaya, Christoph Goldschmidt, der die Online-Übertragung der Veranstaltung übernommen hatte.
Eine der Videobesucherinnen schrieb unmittelbar danach: „Vielen Dank für die Möglichkeit, Online an der spannenden Weinviertelakademie teilnehmen zu können! Da ich in Wien wohne, und es leider – wie in den visionären Ausblicken der Podiumsgäste – noch nicht möglich ist, bequem und einfach mit den Öffis nach Großrußbach (und auch wieder zurück!) zu fahren, hätte ich sonst eine sehr interessante Veranstaltung verpasst. Katharina Rogenhofer, die Initiatorin des Klimavolksbegehrens, hat sehr anschaulich erklärt, warum es absolut notwendig ist, SOFORT aktiven Klimaschutz zu betreiben und dass das nicht nur ökologisch sondern insgesamt – im wirtschaftlichen, sozialen und Gesundheitsbereich – eine Win-win-Situation für uns alle wäre. Wie das gehen kann – als Einzelperson oder Pfarrgemeinde, haben tolle Initiativen gezeigt, die bereits jetzt laufen“. Sie schloss mit dem begeisterten Appell: „Unbedingt nachhören …!!“, was via Facebook oder Youtube inzwischen auch häufig genutzt wird.
Die von den Gliederungen der Katholischen Aktion in Kooperation mit dem Bildungshaus Schloss Großrußbach, dem Katholischen Bildungswerk und der Zeitschrift „Der Sonntag“ getragene 31. Weinviertelakademie fand Corona-bedingt im kleineren Rahmen statt, doch waren die BesucherInnen über das Zustandekommen und die persönlichen Begegnungen wie auch von der Qualität der Veranstaltung durchgehend angetan und darüber sehr erfreut.
Stefan Kronthaler, Franz Vock
Präsentation von Katharina Rogenhofer bei der Weinviertelakademie