Berührendes ökumenisches Pogromgedenken
An Univ.-Prof. Karl Heinz Zeßner-Spitzenberg, eines der ersten, und P. Josef Zeininger OSFS, das (beinahe) letzte christliche Opfer des NS-Terrors in Döbling wurde beim Ökumenisches Pogrom-Gedenken am 7. November 2018 in der Alten Pfarrkirche in der Krim auf Einladung der Pfarre und der Katholischen ArbeiterInnen Bewegung Wien (KAB) gedacht.
Diakon Pius Zeßner-Spitzenberg, sein 93-jähriger Sohn und Zeitzeuge, charakterisierte seinen Vater als „tiefgläubigen Katholiken, patriotischen Österreicher und Monarchist“, der am 18. 3. 1938 von der Gestapo in der Krypta Kaasgraben von der Messe weg verhaftet und ins KZ Dachau befördert wurde. Beim qualvollen Transport, wo die SS-Mannschaft versuchte, die Häftlinge zu brechen, haben bereits 20 Prozent der Gefangenen am Transport schwere Verletzungen davongetragen, so auch Zeßner-Spitzenberg. Der „Glaube an Gott und ein christliches Österreich“ brachte ihn in den Isolierblock, was u. a. 4.00 Uhr Früh Wecken, 5.00 Uhr Morgenappel, 6.00-11.00 und 13.00-18.00 Uhr Arbeiten bei brütender Hitze, wo der kahl geschorene Kopf nicht mit einem Taschentuch bedeckt werden durfte, bedeutete. Am 1. 8. 1938 hörte das Herz des 54-jährigen zu schlagen auf. Als einer der sich „ständig bemühte, seine Zellengefährten aufzurichten und zu trösten“, wurde er laut Zeugenberichten seines Sohnes schon vor dem Dachau-Transport bald „Engel der Zelle“ genannt, wie Pius Zeßner-Spitzenberg berichtete.
Pater Josef Zeininger OSFS, der spätere Bischofsvikar die Stadt Wien und Begründer der Katholischen Arbeiterjugend in Österreich, wurde vom Beichtstuhl heraus am 17. 2. 1944 in der Pfarrkirche Krim verhaftet, wegen Hoch- und Landesverrat zum Tode verurteilt, wartete in Berlin-Moabit auf die Exekution, entging allerdings der Hinrichtung durch das Kriegsende, berichtete sein geistlicher Weggefährte und Ordensbruder, Pater Herbert Winklehner OSFS.
Die Ökumene-Beauftragte des Dekanates Döbling im Vikariat Elisabeth Lutter las das Kaddish, ein jüdisches Heiligungsgebet und eines der wichtigsten Gebete des Judentums. Pfarrer P. Thomas Mühlberger OSFS sprach das Friedensgebet. Mit Harfenspiel, Stille, Gebeten, Liedern wie „Shalom havarim“ (jüdisch), oder „Von guten Mächten treu und still umgeben“ (Dietrich Bonhöffer), dem Entzünden der Kerzen am siebenarmigen Leuchter, dem gemeinsamen Vater unser und dem Aronitischen Segen durch Pfarrer Mühlberger, P. Winklehner, und Diakon Zeßner-Spitzenberg ging die Feier zu Ende.
„Besonders beeindruckend war, dass zu dieser Gedenkveranstaltung Opfer des Nationalsozialistischen Regimes geladen waren, die über die Leiden ihrer Angehörigen berichteten. Tonaufzeichnungen mit den originalen Stimmen der Opfer wurden eingespielt oder aus deren Briefen gelesen, was der Veranstaltung einen besonders authentischen Rahmen verlieh. Da sich langsam die Ära der Zeitzeugen zu Ende neigt, wird eine zeitgemäße Erinnerungskultur umso bedeutsamer“, sagte eine Akademikerin. Die Einfachheit, Schlichtheit und Stille halfen, damit dieser Abend für viele „passte“, oder auch „berührend“ und „beeindruckend“ wurde.
Bei der anschließenden Agape wurde der Gedankenaustausch unter den zahlreichen TeilnehmerInnen der verschiedener Religionsgemeinschaften noch lange fortgesetzt.
Franz Vock
ORF Orientierung (2013) - Die Tochter von Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, Johanna Paradeiser erinnert sich an 1938. https://tvthek.orf.at/archive/Christen-und-Gesellschaft/7981741/Rosenkranz-Andacht-1938-Katholische-Jugend-gegen-Hitler/7986185