Christliches Frauenengagement: Gemeinsamkeit und Differenzen
Wien, 25.05.2018 (KAP) Christliche Grundüberzeugung kann Frauen an kirchlichen und gesellschaft-lichen Schlüsselpositionen zu mitunter ganz unterschiedlichen Ansichten und Entscheidungen bringen: Diese Vielfalt wurde am Freitagabend bei einer Podiumsdiskussion der "Langen Nacht der Kirche" deutlich sichtbar. In Aspern-St. Martin, einer der größten Pfarren Wiens, sprach die ÖVP-Nationalrätin Gudrun Kugler mit Vertreterinnen der Erzdiözese Wien - Gertraud Dangl-Zlabinger von der Kontaktstelle für Alleinerziehende und Martina Greiner-Lebenbauer von der Katholischen Frauenbewegung (kfb) - sowie Magdalena Holztrattner von der Katholischen Sozialakademie (ksoe) über das gemeinsame Anliegen der Stärkung von Frauen - mit differierenden Schlussfolgerungen.
Die Erziehung von Töchtern, Diskussionsthema Nummer eins, führe am ehesten zu Lebensglück durch Stärkung des Selbstbewusstseins, Achtung von Vielfalt und Gewaltfreiheit sowie Hinführung zum solidari-schem Einsatz für Gerechtigkeit, so Greiner-Lebenbauer, die im Hauptberuf die diözesane Missbrauchs-Präventionsstelle leitet. "Von stärkeren Frauen profitieren auch die Männer", so ihre Überzeugung.
Wertschätzung für die jeweilige Lebensform, Hinterfragen von Strukturen und Familienformen sowie fundierte Bildung als Zukunftsvorsorge riet Dangl-Zlabinger, während Holztrattners die Orientierung an Vorbildern empfahl - an "starken Frauen, die gerne weiblich sind und dies als Gottesgeschenk sehen". Wo Frauen beschnitten würden - "physiologisch oder psychisch", gelte es dies zu benennen.
"Du kannst alles machen - doch sei gerne Frau", so auch Kuglers Empfehlung. Heranwachsenden Mädchen legte sie nahe, "sich nicht alleine über Erwerbsarbeit definieren zu lassen", Liebe für möglich zu halten und sich für große Vorhaben auch Schwieriges zuzumuten, denn: "Treue braucht Opfer, Beziehung ist Arbeit und ein Kind kommt meistens ungelegen", unterstrich Kugler, die vor ihrem Eintritt in die Politik das Heiratsportal "Kathtreff.org" gegründet hatte. Frauen stünden mit ihrer Lebenssituation häufig "an der Trennlinie zur veröffentlichter Meinung" und litten darunter.
v.l.n.r.: Magdalena Holztrattner von der Katholischen Sozialakademie (ksoe), Martina Greiner-Lebenbauer von der Katholischen Frauenbewegung (kfb), Vorsitzende des PublizistInnenverbandes Gabriele Neuwirth (Moderation), ÖVP-Nationalrätin Gudrun Kugler mit Vertreterinnen der Erzdiözese Wien - Gertraud Dangl-Zlabinger von der Kontaktstelle für Alleinerziehende.
Soziale Schrauben versus Grundeinkommen
Die klarsten Differenzen kamen bei der Frage nach einer Verbesserung der sozialen Situation benachteiligter Frauen zutage. Kugler sprach als Regierungspartei-Vertreterin davon, dass nach dem "Familienbonus" und der Entlastung geringer Einkommen noch "viele weitere kleine Schrauben" nötig seien zum Erreichen der Regierungsziele, "kein Elend zuzulassen und dass Leistung sich lohnen darf". Die geplante Streichung der Notstandshilfe - nach Bezug des Arbeitslosengeld soll gleich die Mindestsicherung folgen - verteidigte sie damit, dass lange Bezugsdauer bei kurzer Einzahlungszeit nicht gerecht sei.
Wohlstand dürfe nicht nach Einzahlungsdauer zugemessen werden, kritisierte hingegen Greiner-Lebenbauer, die auf ein "Bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Menschen" beharrte - denn "es wäre finanzierbar und christlich", so die kfb-Diözesanleiterin. "Warum Sparen bei denen, denen es schlecht geht?", bestärkte dies auch ksoe-Direktorin Holztrattner, die zu den Initiatorinnen der sozialpolitischen Aktion "Christlich geht anders!" zählt. Durch die Einführung einer Finanztransaktions-steuer könnten EU-weit 130 Milliarden Euro zusätzlich für Sozialprogramme zur Verfügung stehen.
Mut und Ausdauer in Kirche nötig
Ein zentrales Gesprächsthema war auch die Rolle der Frau in der Kirche. Forderungen von Papst Franziskus, dass hier eine Aufwertung geschehe, würden von manchen als ehrliches Vorgehen der Kirche verbucht, bemerkte die Moderatorin der Runde, Publizistenverbands-Präsidentin Gabriele Neuwirth mit Augenzwinkern. "Sie sagen: Die Kirche gibt zumindest zu, dass sie die Frauen nicht lassen - während die Unternehmen es nicht sagen, jedoch genauso handeln".
"Mut und Ausdauer" sei nötig angesichts dessen, dass auch Priesterberufungen auch von Frauen verspürt würden, sagte Dangl-Zlabinger. Sie selbst finde Ermutigung in Frauenliturgien, normale Gottesdienste seien jedoch für junge Erwachsene kaum nachvollziehbar, so ihre Erfahrung. Die Sozialakademie-Direktorin Holztrattner riet in dieser Frage, "einfach zu handeln", denn: "Es ist besser im Nachhinein um Entschudigung zu bitten als zuvor um Erlaubnis."
"Wir müssen nicht gleich Berge versetzen - es reicht vielleicht schon, Steine ins Rollen zu bringen", ermutigte Greiner-Lebenbauer zu Einsatz für die Aufwertung der Frau in einer Organisation, die "in Jahrhunderten denkt". Wichtig sei es auch jene Menschen zu sehen, die aufgrund ihrer Lebenssituation außerhalb der Kirche stehen, von ihr enttäuscht seien oder sich in ihr nicht willkommen fühlten. "Lebe dein Christsein dort, wo du stehst", riet die Theologin.
"Die paar Meter um den Altar sind heiß umkämpft, da sie mit Macht verbunden werden. Die Rolle der Frau in der Kirche ist heute bei den Menschen draußen aber kaum mehr Thema - eher vielleicht noch ihre Rolle im Islam", so hingegen die Wahrnehmung Kuglers. Entscheidend sei aus Sicht der christlichen Politikerin, "sich einzubringen und dorthin zu gehen, wo Liebe gebraucht ist".
"Frauenmesse" in Wien und Steiermark
Neben dieser Diskussion kam es im Rahmen der "Langen Nacht" auch zu zwei Aufführungen der "Frauenmesse", die 2015 in Stuttgart uraufgeführt wurde: Die evangelisch-methodistische Kirche in Wien (Sechshauser Str. 56) in einer Gastveranstaltung des Ökumenischen Forums Christlicher Frauen in Österreich war ebenso Schauplatz der Liturgiefeier wie die oststeirische katholische Pfarrkirche St. Johann/Herberstein, wo das dort beheimatete "Haus der Frauen" der Diözese Graz eingeladen hatte. Die "Frauenmesse" ist das Werk zweier feministischer Theologinnen - der Deutschen Brigitte Enzner-Propst (Text) und der Österreicherin Claudia Mitscha-Eibl (Musik).
Frauenliturgien in freier Gestaltung seien Früchte einer wichtigen liturgischen Reformbewegung der letzten 50 Jahre innerhalb der christlichen Kirchen, teilte das in St. Johann beheimatete "Haus der Frauen" der Diözese Graz mit. Im Mittelpunkt der Messe unter dem Titel "Frau - wir erinnern dich" stand die namenlose Frau aus dem Markusevangelium (Mk 14,3-9), die Jesus salbte. "Sein Versprechen, sich ihrer zu erinnern, wo das Evangelium verkündet wird, lösen wir vom 'Haus der Frauen' mit der steirischen Erstaufführung als Beitrag zum Diözesanjubiläum ein." Auch die Mitfeiernden salbten einander und sangen biblische Frauentexte von Maria, Martha, Sara und Hagar.
Kathpress