Dominante Wirtschaft verhindert wirksamen Umweltschutz
„Die Dominanz der Wirtschaft, besonders der Finanzwirtschaft gegenüber der Politik, verhindert einen wirksamen Umweltschutz“, sagte die Klimaforscherin Univ.-Prof. Helga Kromp-Kolb von der Universität für Bodenkultur bei der Veranstaltung „Klimawandel – Eine Glaubensfrage“, zu der auf Einladung des Weltgebetstags der Frauen, der größten ökumenischen Basisbewegung der Frauen weltweit, gemeinsam mit dem Forum Zeit und Glaube – Katholischer AkademikerInnen Verband der Erzdiözese Wien über 90 BesucherInnen am 12. Februar 2018 in das Otto Mauer Zentrum kamen.
Bei ethischen Fragen kommt die Frage des Glaubens wesentlich ins Spiel
„Die Unterwerfung der Politik unter die Technologie und das Finanzwesen zeige sich in der Erfolglosigkeit der Weltgipfel über Umweltfragen“, führte Kromp-Kolb weiter aus. Das führe zu „großen sozialpolitischen Verwerfungen“. Daher brauche es „in den Industriestaaten eine Wachstumsverlangsamung, um armen Staaten mehr Entwicklungschancen zu bieten“. Denn „es ist unvertretbar, dass einige immer mehr konsumierten und zerstörten, während andere noch nicht entsprechend ihrer Menschenwürde leben könnten“, so Kromp-Kolb.
„Vom naturwissenschaftlichen Zugang ist der Klimawandel keine Glaubensfrage“, unterstrich Kromp-Kolb. Die Erderwärmung ist im „linearen Trend ab 1970 um 1,07 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau gestiegen. Von den Co2 Emissionen ist nach 100 Jahren ein Drittel weg, nach 200 Jahren das 2. Drittel, und nach 1000 Jahren ist vom dritten Drittel noch immer etwas zu merken. Die wetterbedingten Schäden nehmen deutlich zu“, das zeigen die geht aus den Aufzeichnungen der Münchner Rückversicherung, so Kromp-Kolb. Das habe deutliche Konsequenzen wie sich z. B. an der Migration im Fall Syrien zeige. Dort waren von der Dürre in den Jahren 2006-2011 60 Prozent des Landes betroffen, was zu Ernteeinbußen, Herdendezimierung etc. führte, legte Kromp-Kolb dar und fragte: „Was tut die EU wenn nicht mehr Obst und Gemüse die Grundlagen der Mittelmeerländer ist“. Dazu habe sie von der EU bisher „nicht viel dazu gehört“.
„Bei ethischen Fragen kommt die Frage des Glaubens wesentlich ins Spiel“, betonte Kromp-Kolb. So sagte ihr vor kurzem eine Kollegin von der Uni Wien: „Es wird Zeit dass die Naturwissenschaftler anfangen an das zu glauben, was sie wissen“. Man könne jedenfalls sagen, “der Mensch ist das Opfer und der wesentliche Treiber des Klimawandels“, so die Klimawissenschaftlerin. Auch könne man klar zeigen, es werde einen Verlust von riesigen Flächen z.B. im Nildelta geben, wenn der Wasserspiegel um 1 Meter steige. In Bandladesh leben 50 Prozent der Bevölkerung weniger als 5 Meter über dem Meeressspiegel. Das Land werde 17 Prozent seiner Fläche bis 20150 verlieren. „Die Menschen in den Entwicklungsländern sind viel stärker als wir in den Industrieländern betroffen“, sagte Kromp-Kolb.
Damit die selbstverstärkenden Prozesse nicht überhand nehmen wie z. B. in der Arktis –es wird immer wärmer – das Eis schmilzt, die Flächen werden dunkel – die Absorbierung steigt – sei es wichtig, die Erderwärmung betrage nicht mehr als 2 Grad Celsius. Zu ihrer Stabilisierung wurden in Paris Anstrengungen („pursue efforts“) beschlossen um 1,5 °C zu erreichen. Dazu brauche es einen „globalen Höchststand an Emissionen so bald wie möglich und eine Balance zwischen Emissionen und Senken in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts“, erläuterte Kromp-Kolb. Da sich die Umweltbelastung aus Bevölkerung x Lebensstil x Technologie zusammensetze, „müssen wir in allen drei Bereichen ansetzen. In Österreich haben wir noch nicht angefangen, das umzusetzen, was wir zugesagt haben", so die Klimawissenschaftlerin.
Es braucht Aufbruchsstimmung schafft, wo alle an einer gemeinsamen Vision arbeiten
Die UNO habe mit den Sustainable Development Goals (SDG) 17 nachhaltige Entwicklungsziele beschlossen, sagte Kromp-Kolb. Dabei geht es grundsätzlich um zwei Agendas: „Ein gutes Leben für alle (menschliches Wohlergehen) und das Einhaltung der ökologischen Grenzen. Die Herausforderung ist, beide synergetisch zu verfolgen und nicht gegeneinander auszuspielen“, wie das bei der 3. Piste für den Flughafen Schwechat geschah, sagte Kromp-Kolb. Wir stoßen an ökologische Grenzen. Es gibt ökologische Grenzen, einen Spielraum der Wirtschaft, aber auch gesellschaftliche Grenzen, machte Kate Raworth 2014 schon klar. „Eine Wirtschaft, die ständig Wachens muss, kann nicht nachhaltig sein, die muss Grenzen verschieben“, sagte Kromp-Kolb.
Papst Franziskus habe in der Enzyklika „Laudato Si“ dargelegt, die aktuelle Lebensweise der Menschheit ist „selbstmörderisch“; Die globale Erwärmung „eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit“. Daher sei der Treibhausgasausstoß „drastisch“ zu reduzieren und aus der Verbrennung fossiler Energieträger aussteigen, wozu es notwendig sei „dazu politische Programme zu entwickeln“. Der „Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der Umwelt hat die Kapazität des Planeten derart überschritten, dass der gegenwärtige Lebensstil nur in Katastrophen enden“ könne, so Papst Franziskus, der in der Enzyklika Laudato Si genauso klar darlegte: „Die Umwelt ist ein kollektives Gut, ein Erbe der gesamten Menschheit, eine Verantwortung für alle. Ohne Druck der Bevölkerung wird es keinen Fortschritt in diesen Fragen geben. Es ist ein Test der Ernsthaftigkeit des Glaubens in jeder Religion“, sagte Kromp-Kolb.
Auf die Frage „was können Glaubensgemeinschaften dazu beitragen, um die Entwicklung zu erzeugen, die notwendig ist“ sagte Kromp-Kolb: „12 österreichische Universitäten wollen von sich aus gemeinsam ein Papier erstellen, was Österreich und seine Regierung tun kann. Ähnliches könnten auch die in Österreich tätigen Glaubensgemeinschaften erzeugen. Es braucht etwas, was Aufbruchsstimmung schafft. Wir brauchen etwas, wo alle an einer gemeinsamen Vision arbeiten“.
In der anschließenden Diskussion fasste Kromp-Kolb zusammen: „Es ist eine große Herausforderung, wenn ich 2 Prozent Erderwärmung mit Fingerspitzengefühl Schülern erklären will, ohne ihnen die Hoffnung zu rauben. Wir brauchen viel mehr ein Betonen dessen, wo Klimaschutzmaßnahmen auch andere Probleme lösen. So bedeutet weniger Verkehr gleichzeitig ein lebenswerteres Leben. Die Befreiung der Sklaven, oder auch Gandhis Aktionen sind Beispiele, wo gegenüber einer ungeheuren Übermacht dennoch Veränderungen erzeugt wurden. Die Frage ist, wie finden wir einen Weg“. Sie schloss: „Wir müssen Optimisten sein. Für Pessimismus ist es zu spät. Die Chinesen, Amerikaner tun mehr. Klimaschutz ohne staatliche Eingriffe wird nicht gelingen. Es geht nicht darum sich zu kasteien, sondern um Effizienz“
Franz Vock
Kathpress Bericht 15.02.2018 (pdf)