Abschiebungen: KAÖ-Präsidentin warnt vor „Populismusfalle“ und „humanitärem Klimawandel“
Ein „klares humanitäres Augenmaß“ bei den Entscheidungen über die Rückschiebung von abgelehnten Asylwerbern fordert die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Gerda Schaffelhofer. „Natürlich hat der Staat das Recht und in manchen Fällen sogar die gesetzlich festgelegte Pflicht, Menschen ohne Aufenthaltsrecht abzuschieben“, so Schaffelhofer. „Die Behörden haben aber auch die Möglichkeit, aus humanitären oder sonstigen Gründen ein Bleiberecht zu gewähren. Jüngst bekannt gewordene Fälle von zwangsweiser Rückschiebung werfen die Frage auf, wieso in diesen Fällen davon nicht Gebrauch gemacht wurde.“
„Warum einer Familie, die ein Wohnung hat, deren Kinder in die Schule gehen, die sich offensichtlich bereits gut integriert hat und keinerlei Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, kein Bleiberecht zuerkannt wird, ist unverständlich. Warum Jugendlichen, die eine Lehre absolvieren und deren Arbeitgeber um ihren Verbleib ringen, ein weiterer Aufenthalt ist Österreich verweigert wird, ist nicht nur menschlich fragwürdig, sondern widerspricht auch jeder wirtschaftlichen Vernunft. Was daran sinnvoll sein soll, ist mir absolut rätselhaft“, betont die KAÖ-Präsidentin: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass in solchen Fällen Exempel statuiert werden sollen und man öffentlich Härte gegenüber Zuwanderern demonstrieren will. Hier schnappt die Populismusfalle zu, die man sich selbst gestellt hat.“
3.150 Zwangsabschiebungen im Jahr 2017
Laut offizieller Statistik des Innenministeriums gab es 2017 insgesamt 11.974 Außerlandesbringungen, davon 6.910 zwangsweise Rückschiebungen und 5.064 freiwillige Ausreisen. Die 6.910 zwangsweisen Außerlandesbringungen unterteilen sich in 3.760 sogenannte „Dublin-Überstellungen“, das heißt Rückschiebungen in jenes europäische Land, das nach dem Dublin-Verfahren erstzuständig für das Asylverfahren ist, und 3.150 Abschiebungen in das Herkunftsland.
„Nicht selten werden die Zwangsmaßnahmen zur Rückschiebung bereits zu einem Zeitpunkt gesetzt, zu dem Einspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen sind“, kritisiert die KAÖ-Präsidentin.
„Es geht um Menschen, nicht um Zahlen“
„Den Verdacht, dass es hier in erster Linie um Statistik geht, hat das Innenministerium selbst bestätigt, indem es stolz verkündet hat, dass 2017 bei den zwangsweisen Außerlandesbringungen eine Steigerung von 41 Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielt werden konnte. Mit gleichem Stolz hat das Ministerium eine Steigerung 2017 um 11 Prozent gegenüber 2016 bei den Rückführungen insgesamt vermeldet“, so Schaffelhofer. „Dies und die vorgeschlagene Unterbringung in Massenquartieren, die natürlich jede Integration erschweren, legen nahe, dass es der Regierung um die Erhöhung der Ausreisezahlen und nicht um die Hilfestellung für Menschen auf der Flucht geht. Haben wir vergessen, dass es um Menschen geht? Geht es uns nur mehr um Zahlen? Lassen uns die Schicksale derer, die bei uns gestrandet sind, wirklich inzwischen kalt?“ fragt die KAÖ-Präsidentin.
Schaffelhofer warnt vor humanitärem Klimawandel
„Die derzeitige Abschiebepraxis ist zudem ein Schlag ins Gesicht von jenen, die zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen beitragen. Ihnen - und dazu zählen natürlich auch viele Engagierte in den Kirchen - wird signalisiert, ihr braucht euch erst gar nicht anzustrengen, am Ende schieben wir ja doch ab. Das ist ein gefährliches pädagogisches Konzept. Denn letztlich fördert es die Ego-Gesellschaft und erteilt gelebter Solidarität eine Abfuhr. Wollen wir aber wirklich dort landen, wo jeder nur mehr an sich selbst denkt und sich um den Nächsten nicht mehr schert? Christlich ist das nicht, und es untergräbt auf Dauer das Funktionieren der Zivilgesellschaft“, warnt die KAÖ-Präsidentin. „Der Zusammenhalt in der Gesellschaft wird aufs Spiel gesetzt, denn die so geförderte Wegschau-Mentalität wird sich bald nicht mehr auf die Migranten allein beschränken, sondern alle Randgruppen umfassen. Ist ein solcher Staat wirklich erstrebenswert?“
Schaffelhofer: „Wer glaubt, damit unserem Land etwas Gutes zu tun, der irrt gewaltig. Wenn wir die Solidarität mit Bedürftigen immer mehr in Frage stellen und aushöhlen, dann riskieren wir einen humanitären Klimawandel in Österreich, der in eine neue Eiszeit führt. Es könnte dann sein, dass sich in einem solchen eisigen Klima manche – Ausländer wie Inländer! – ‚auf die Socken machen‘ und dem Land den Rücken zeigen, aber wollen wir das?“
Rückfragehinweis:
Mag. Josef Pumberger
Generalsekretär
Tel: +43 1 51552-3661
0664 6216979