Eine Schlacht mit dem totalitären Regime
Im Gang der Geschichte kam es „zu einer Schlacht mit dem totalitären Regime. Dass der Kommunismus zu uns in die Tschechoslowakei, nach Ungarn kam, daran sind die Großen(Mächte) schuld. In Tschechien haben die Demokraten bei den Wahlen mit 60 Prozent gewonnen“, stellte der Historiker und Hochschullehrer Frantisek Neupauer vom Institut für Nationales Gedächtnis in Bratislava gleich zu Beginn des 15. KAB-Regionalkongresses vor den rund 30 Delegierten aus Österreich, Tschechien und der Slowakei klar, der am 7. Oktober 2017 unter dem Thema „Sozialismus vor und hinter dem Eiserenen Vorhang. Unterschiedliche Ideologien bis 1989 der Kirche in Ost und West“ im Refektorium des Fakutätskrankenhauses der Barmherzigen Brüder in Bratislava stattfand.
Die Slowaken waren die ersten Pioniere auf dem Weg zur Freiheit
Schon in der turbulenten Zeit des Zweiten Weltkriegs 1943 sammelte der kroatische Priester Prof Tomislav Kolakovic junge Leute in der Gemeinde Rodina/Familie um sich und vermittelte ihnen als Wegbereiter der Katholischen Soziallehre einen engagierten Glauben. „Die haben als wirkliche Christen gelebt“, berichtete Neupauer. Zwei dieser Jugendlichen, Vladimir Jukl und Silvo Krcmery, wurden später zu zentralen Figuren der Untergrundkirche. Rudolf Dobias wurde als 19 jähriger wegen einer Stalin Karikatur verhaftet, so Neupauer.
Anfang der 50er Jahre wurden die Männer- und Frauenklöster aufgelöst, drei Bischöfe verurteilt. „Aus den Bauern in der russischen Landwirtschaft wurden Werktätige, die Abhängigkeit von Gott wurde liquidiert. Das Geistige wollte man aus den Menschen herausreißen“, so Neupauer. Die Kreuze in den Schulen wurden abgeschafft, es kam zur Kerzenrevolution. Als Kardinal František Tomášek in einer Begegnung mit Papst Johannes Paul II. klagte: „Uns ist alles genommen worden, uns bleibt nur noch zu beten“, antwortete ihm dieser: „Beten, das ist viel“.
Unter der Assistenz der Armee wurden Leute verhaftet. Es gab tiefe Eingriffe in das Leben der Menschen. Während der Internierung sind ältere Leute an Unterkühlung oder Hunger gestorben, die begabtesten Leute wurden verfolgt, konnten nicht studieren. Das Spannungsfeld, in dem sich die Menschen erlebten, machte Neupauer mit verschiedenen ihrer Äußerungen klar: „Ich bete dafür dass meine Tochter nicht so ein Schwein wird wie ich“; „Die Leute reden sich aus: ´Wir haben es wegen den Kindern getan´“; Manche hofften, auch die Verfolger könnten sich veränderten: „In den schlimmsten Leuten ist ein Rest dass sie umkehren können“; „Wir sind unzufrieden, weil wir nicht genügend Gott vertraut haben“. Andere beteten „auch für die Führer der Sowjetunion“.
6-10 000 Leute kamen am 25. 3. 1988 zur Kerzenmanifestation nach Bratislava, wo Frantisek Miklosko, Jan Carnogursky und Vertreter der Untergrundkirche bürgerliche Freiheiten und die freie Ernennung von Bischöfen forderten. 564 Tage nach der Kerzenrevolution war am 9. 10. 1989 die Demonstration in Leipzig, ein Monat danach fiel die Berliner Mauer. „Die Slowaken waren die ersten Pioniere auf dem Weg zur Freiheit“, fasste Neupauer zusammen. „Freiheit ist ein Geschenk für alle, wir müssen uns bemühen, dass auch russische Menschen frei werden“, hatte schon Vladimir Jukl deponiert.
Unauffällige Helden – Die Wahrheit sagen
„Viele Lügen dauern bis heute“, berichtete Neupauer. Mit dem Projekt „Unauffällige Helden“ sucht er nun Leute die gelitten haben und dokumentiert ihre Geschichte gegen den Strom. “Es geht darum den Leuten Danke zu sagen, die uns die Freiheit zurückgebracht haben“, so Neupauer. Mit Unterstützung der Konrad Adenauer Stiftung konnten schon 500 Leute gefunden werden, die das niedergeschrieben haben www.upn.gov.sk www.november89.eu
Schon zu Kongressbeginn hatte der Vorsitzende der Slowakischen KAB, Julius Porupsky, die Perspektive skizziert: „Wenn wir mit dem Herrgott nicht rechnen, dann träumen wir vergeblich über das christliche gläubige Europa“. Der den Eröffnungsgottesdienst feiernde Priester meinte mit dem Verweis auf Beispiele: „Alle die ordentlich gebetet haben sind auch von der russischen Front zurückgekehrt“. Dem entsprechend empfahl er „die Stille (zu) nutzen um das Wort Gottes zu hören und zu überlegen, was uns Gott damit sagen will“.
Die tschechischen Gruppen in Prag und Mähren haben mit den Menschen in der DDR, in Dresden, zusammengearbeitet, berichtete ein Vertreter der tschechischen KAB: „Das Leben in der totalitären Zeit war sehr kompliziert, nicht schwarz weiß, sondern gefleckt“. Z. B. wurde das Wasser im Badezimmer bei der Priesterweihe laufen gelassen. „Wir sollen die Wahrheit sagen und die Sachen richtig bereuen“, war eine Forderung. „In Schulen redet man über Genozide, doch über diese Sachen gar nicht“, wurde zu bedenken gegeben. „In den Schulen wird das nicht unterreichtet, das ist Kollaboration“, fügte ein anderer hinzu.
Heute gibt es Freiheitsfestivals in mehreren Städten, war ein Hinweis. Zu Mosaiksteinchen eines gemeinsamen Resumés wurden in der Diskussion Sätze wie: „ Wir benötigen Fakten, Zahlen die stimmen. Wir müssen einig sein, was die Wahrheit ist. Das Blut der Leidenden ist bereits vergossen worden. Kein Tropfen darf verloren gehen. Wir müssen daraus lernen. Was ist die Konklusion des gesamten Leidens? Öffnen wir die Augen dass sich heute keine ähnlichen Ereignisse abspielen. Es ist unsere Schande gegenüber denen die gelitten haben, wenn wir keine positiven Konsequenzen ziehen“.
Franz Vock