Sozialwortfolder NÖ
Für Christinnen und Christen kann dies eine mögliche Hilfe sein beim eigenen gesellschaftlichen Engagement, aber auch bei der Entscheidung für Parteien bei Wahlen. Die in diesem Folder aufgezählten Orientierungspunkte sind mit einem besonderen Blickpunkt auf die lokale Ebene, die Gemeindepolitik zusammengestellt.
Dieser Text soll auch eine Aufforderung an alle Christinnen und Christen sein, sich gesellschaftlich zu engagieren. In einer Gesellschaft, in der es unterschiedliche Wertvorstellungen gibt bezüglich vieler Grundfragen, wie insbesondere Ehe und Familie, Arbeit und Wirtschaft, Einkommensverteilung, dem Umgang miteinander, ist der Beitrag der Christen dringender denn je gefordert. Es müssen gerechte Ordnungen und Strukturen geschaffen werden, die ein menschenwürdiges Zusammenleben für alle ermöglichen.
Unsere Gesellschaft, unser Staat, die Gesetze und Rahmenbedingungen sind immer weniger nach den christlichen Grundwerten, insbesondere Partnerschaft und Solidarität, ausgerichtet. Egoismus, das rücksichtslose Ausnutzen von Mitmenschen, aber auch sorgloses Verhalten gegenüber der Umwelt stehen im Vordergrund. Als Christinnen und Christen sind wir verpflichtet, uns diesen Herausforderungen zu stellen und den Mut zu haben, auch gegen den Zeitgeist unser Leben zu gestalten und unsere christlichen Werte glaubhaft zu vertreten.
Zehn Orientierungspunkte aus dem Sozialwort
Sozialen Zusammenhalt fördern und sichern
Neben Familien, Nachbarschaft und Freundeskreis übernehmen verschiedene Organisationen Verantwortung und sind zur Hilfe bereit. … Die Beständigkeit dieses vielfältigen Engagements hängt entscheidend von materieller und ideeller Unterstützung und der öffentlichen Anerkennung ab. Es bedarf der besonderen Aufmerksamkeit der Gesellschaft, ein Klima der Beziehungs- und Bindungsfähigkeit zu erhalten und damit sozialen Zusammenhalt zu fördern und zu sichern. (76 - Die Nummern bezeichnen die entsprechenden Textstellen im Sozialwort)
Entscheidungen in Gesellschaft, Politik und Öffentlichkeit sind vor allem die Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen und sozialen Zusammenhalt zugrunde zu legen, anstatt sie vorrangig nach Einzelinteressen auszurichten. (90)
Armut bekämpfen
Armut ist im ländlichen Bereich keine Seltenheit, auch wenn sie kaum offen gezeigt wird. Der Mangel erreichbarer Arbeitsplätze, niedrige Einkommen von Kleinbauern und landwirtschaftlichen Hilfskräften, der Versuch, unrentable Betriebe möglichst lange am Leben zu erhalten, und die Scham, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, führen zu verdeckter Armut. (97)
Trotz gut ausgebauter sozialer Netze gibt es in Österreich rund 300.000Menschen, die in akuter Armut leben. Um auch all jenen, die auf Grund nicht erzielbarer oder zu niedriger Erwerbseinkommen keinen Anspruch auf Leistungen aus den Sozialversicherungen wie Arbeitslosengeld oder Pensionen erheben können, ein existenzsicherndes Einkommen zu ermöglichen, braucht es Maßnahmen einer Mindestsicherung. (220)
Eine integrative Regionalpolitik
Unterstützt durch Regionalpolitik und Wohnbauförderung haben sich viele ländliche Regionen als attraktiver Wohnstandort für Familien behauptet. Damit konnte zwar in manchen Fällen die Tendenz zur Abwanderung gestoppt werden, die Kehrseite ist allerdings das zum Teil sehr weite Auspendeln zu Arbeitsplätzen und Schulen. Erforderlich ist eine integrative Regionalpolitik, die eine aktive Wirtschafts- und Beschäftigungsstrategie verbindet mit einer nachhaltigen Form von Landwirtschaft, mit eigenen regionalen Schwerpunkten. (98)
Zusammenleben in der Gemeinde
Wo traditionell geprägte Lebensweise mit den Forderungen und Bedürfnissen der neu Hinzugezogenen aufeinandertreffen, kann es zu Spannungen kommen, die das Zusammenleben in den Gemeinden belasten. In den Familien selbst entstehen Generationenkonflikte, die auf Grund von Sprachlosigkeit oder Gesprächsverweigerung nur schwer ausgetragen werden können. Brücken zu schlagen zwischen Alt und Neu, zwischen Jung und Alt und darüber hinaus zu Minderheiten oder Zuwanderfamilien, ist eine besonders schwierige Aufgabe und Herausforderung für all jene, denen das Zusammenleben in der Gemeinde wichtig ist. (99)
Lernorte für Friedensfragen
Die Kirchen treten dafür ein, dass Lernorte der Demokratie und konstruktiver Konfliktkultur gefördert werden, um eine breite gesellschaftspolitische Diskussion von Friedensfragen zu ermöglichen. (256)
Förderung von Bildung und Weiterbildung
Die Kirchen erwarten eine bessere Förderung von Bildung und Weiterbildung in den ländlichen Regionen, um sowohl den Anforderungen einer modernen Landwirtschaft gerecht zu werden, als auch Voraussetzungen für die lokale Entwicklung neuer Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe zu schaffen. (109)
Die Kirchen treten ein für Förderprogramme für Frauen, die den speziellen Bedingungen des ländlichen Raumes gerecht werden. (111)
Menschengerechte Kommunalpolitik
Die Kirchen erwarten von der Kommunalpolitik, die städtische Infrastruktur den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger laufend anzupassen. (129)
Die Kirchen treten ein für durchmischte städtische Lebensräume und für Verkehrs- und Kommunikationsnetze, die sozialen Zusammenhalt ermöglichen. (131)
Aktive Arbeitsmarktpolitik
Die Kirchen erwarten von den politisch Verantwortlichen, ihre Arbeitsmarktpolitik auf den Erhalt und die Neuschaffung guter, menschengerechter, gesellschaftlich sinnvoller Arbeitsplätze auszurichten. Besonderes Augenmerk ist dabei auf Arbeitsplätze für junge Menschen zu richten. (182)
Die Kirchen unterstützen alle Bemühungen, Frauen am Arbeitsmarkt dieselben Chancen einzuräumen wie Männern. Sie treten ein für gleiche Bezahlung gleichwertiger Arbeit. Gleichzeitig unterstützen sie Bemühungen, bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen Frauen und Männern gerechter zu teilen. (184)
Wirtschaft ist mehr als „Markt“
Wo der Markt sich selbst überlassen bleibt, entsteht Ungleichverteilung von Einkommen, Vermögen und Beteiligungschancen. Aufgabe der Politik ist es, durch Bereitstellung einer allen zugänglichen Infrastruktur, durch eine ausgleichende Steuer- und Sozialpolitik, durch rechtliche Regelung von Arbeit und Wirtschaft dafür zu sorgen, dass alle Menschen einen gerechten Anteil an den gemeinsam erwirtschafteten Gütern und Leistungen erhalten und menschenwürdig leben können. (191)
Eine Politik der Nachhaltigkeit
Für eine Neuorientierung braucht es entschiedene Maßnahmen wie: höhere Energieeffizienz, den Umstieg zu erneuerbaren Energien, teilweisen Konsumverzicht, fairen Handel, Marktpreise, die entsprechend dem Verursacherprinzip auch die ökologischen Kosten widerspiegeln, sinnvolle Verkehrskonzepte für Transit und Vorrang für öffentlichen Verkehr, sowie eine ökologische Steuerreform. (292)
Eine Hinwendung der Politik zur Nachhaltigkeit bedeutet den Wechsel von Kurzfristigkeit zu mittel- und langfristigen Strategien. Dies erfordert einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, der auf der zunehmenden Sensibilisierung von engagierten Gruppen und Bewegungen aufbauen kann. (294)
Die Kirchen wenden sich an alle gesellschaftlichen Gruppierungen und die Medien, in der öffentlichen Diskussion legitime kurzfristige Einzelinteressen nicht gegen zukunftsorientierte Konzepte auszuspielen. (308)
Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich
Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich ist die Frucht eines intensiven vierjährigen Prozesses und soll weitere vertiefende Prozesse in Kirchen und Gesellschaft einleiten und inspirieren. Die Veränderungen und Herausforderungen in einer sich rasant entwickelnden Gesellschaft erfordern einen dauernden, intensiven Begleitprozess der Kirchen westlicher und östlicher Tradition in ökumenischer Verbundenheit. Das Sozialwort, geprägt vom lebendigen Wort Gottes, der Heiligen Schrift, soll dafür „Kompass“ sein.
Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich versucht aus christlicher Sicht wegweisende Antworten zu geben oder grundsätzliche Fragen zu stellen, um schließlich konkrete Schritte zur Umsetzung der erkannten Zeichen der Zeit aufzuzeigen. Es ist die Frucht eines Dialogprozesses und gleichzeitig eine Einladung für einen weiterführenden, vertiefenden Dialog zwischen Kirchen und Gesellschaft. Dieses Sozialwort spricht in die Gesellschaft. Es spricht zugleich die Kirchen selbst an, die Teil der Gesellschaft sind und an deren Entwicklungen teilhaben, zugleich aber bemüht sind, diese Entwicklungen aus christlicher Überzeugung mitzugestalten.
Vom Sozialwort zu sozialen Taten
Das Sozialwort selbst ist nur Papier. Um die Ideen, Wünsche und Vorstellungen darin Wirklichkeit werden zu lassen braucht es engagierte Christinnen und Christen, die hier aktiv werden. Was können Sie tun?
- Bringen Sie das Sozialwort als Thema in Gruppen ein, in denen sie aktiv sind
- Ermuntern Sie andere Gruppen, sich mit dem Sozialwort zu beschäftigen
- Verwenden Sie bei Diskussionen das Sozialwort als Argumentationsgrundlage
- Veröffentlichen Sie Auszüge aus dem Sozialwort an geeigneten Plätzen
- Versuchen Sie, engagierte Gruppen miteinander zu vernetzen
- Überlegen Sie, wo in Ihrer Gemeinde Forderungen des Sozialwortes noch nicht erfüllt sind und engagieren Sie sich dafür
- Bringen Sie das Sozialwort den politisch verantwortlichen Menschen in ihrer Gemeinde nahe
- Suchen Sie PartnerInnen für ihr Engagement auch in den anderen christlichen Kirchen
- Bringen Sie regelmäßig Forderungen und Themen des Sozialwortes zur Sprache
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