Sozialwortfolder Wien
Für Christinnen und Christen kann dies eine mögliche Hilfe sein beim eigenen gesellschaftlichen Engagement, aber auch bei der Entscheidung für Parteien bei Wahlen. Die in diesem Folder aufgezählten Orientierungspunkte sind mit einem besonderen Blickpunkt auf die lokale Ebene, die Gemeindepolitik zusammengestellt.
Dieser Text soll auch eine Aufforderung an alle Christinnen und Christen sein, sich gesellschaftlich zu engagieren. In einer Gesellschaft, in der es unterschiedliche Wertvorstellungen gibt bezüglich vieler Grundfragen, wie insbesondere Ehe und Familie, Arbeit und Wirtschaft, Einkommensverteilung, dem Umgang miteinander, ist der Beitrag der Christen dringender denn je gefordert. Es müssen gerechte Ordnungen und Strukturen geschaffen werden, die ein menschenwürdiges Zusammenleben für alle ermöglichen.
Unsere Gesellschaft, unser Staat, die Gesetze und Rahmenbedingungen sind immer weniger nach den christlichen Grundwerten, insbesondere Partnerschaft und Solidarität, ausgerichtet. Egoismus, das rücksichtslose Ausnutzen von Mitmenschen, aber auch sorgloses Verhalten gegenüber der Umwelt stehen im Vordergrund. Als Christinnen und Christen sind wir verpflichtet, uns diesen Herausforderungen zu stellen und den Mut zu haben, auch gegen den Zeitgeist unser Leben zu gestalten und unsere christlichen Werte glaubhaft zu vertreten.
Zehn Orientierungspunkte aus dem Sozialwort
Miteinander in der Stadt
Voraussetzung für eine lebendige Stadt ist nicht nur ihre wirtschaftliche und kulturelle Dynamik, sondern vor allem ein funktionierendes Miteinander ihrer Bürger und Bürgerinnen, das der Isolierung Einzelner und der Ausgrenzung von ganzen Stadtteilen entgegenwirkt. Ein vielfältiges Freizeit-, Kultur- und Bildungsangebot, eine gute Infrastruktur und ein wohnliches Umfeld können unsere Städte für junge und alte Menschen attraktiv und lebenswert machen. (113 - Die Nummern bezeichnen die entsprechenden Textstellen im Sozialwort)
Armut und Reichtum
Seit jeher war in den Städten der Unterschied zwischen Armen und Reichen besonders groß. Bei den neuen Formen sozialer Ungleichheit geht es um Ausgrenzung in einem weiteren Sinn: Durch erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Nutzung sozialstaatlicher Einrichtungen wird auch der Zugang zu kulturellen Gütern behindert. Dazu wird ständig vor Augen geführt, was die Stadt an Glanz und Reichtum zu bieten hat, wie Menschen leben, denen alles zur Verfügung steht. (114)
Trotz gut ausgebauter sozialer Netze gibt es in Österreich rund 300.000 Menschen, die in akuter Armut leben. Um auch all jenen, die auf Grund nicht erzielbarer oder zu niedriger Erwerbseinkommen keinen Anspruch auf Leistungen aus den Sozialversicherungen wie Arbeitslosengeld oder Pensionen erheben können, ein existenzsicherndes Einkommen zu ermöglichen, braucht es Maßnahmen einer Mindestsicherung. (220)
Mitbestimmung bei öffentlichen Räumen
Das Leben in den Stadtteilen ist geprägt durch Verkehrsverbindungen und die Gestaltung öffentlicher Räume, die wesentlichen Einfluss auf das Miteinander und das Lebensgefühl der Bürgerinnen und Bürger haben. Deshalb ist es wichtig, dass Entscheidungen über deren Gestaltung mit entsprechender Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger geplant werden. Stadtteilarbeit, Gemeinwesenarbeit sollten dafür kommunikative Räume schaffen. Mitbestimmung ermöglicht ein Gesprächsklima zwischen Bürgerinnen und Bürgern eines Wohngebietes, das – über den konkreten Anlass hinaus – das Verständnis füreinander und das Zusammenleben erleichtern kann. (120)
Menschen in der Stadt
Die Stadt ist gebaut für schnelle, aktive Menschen. Der langsamere Rhythmus von Kindern oder älteren Menschen ist störend und bringt sie selbst in Gefahr. Rollstuhlfahrer und Menschen mit Kinderwagen müssen oft mühevolle Umwege auf sich nehmen. Der Einbau von Rampen, stufenfreie Verkehrsmittel und Aufzüge können vielen den Alltag erleichtern. Für Frauen ist auch Sicherheit ein wichtiges Thema. (115)
Für junge Menschen bietet die Stadt besondere Chancen. Doch einen passenden Arbeitsplatz und die erforderlichen Ausbildungsmöglichkeiten zu finden, braucht auch entsprechende Hilfestellungen. Jugendliche der zweiten Generation, deren Eltern aus anderen Ländern auf der Suche nach Arbeit oder Sicherheit nach Österreich gekommen sind, sind davon besonders betroffen. Sie unterliegen strukturellen und praktischen Diskriminierungen und brauchen entsprechende Unterstützung. (116)
Soziale Infrastruktur
Vieles, was in kleinen Gemeinden oder im ländlichen Bereich durch familiäre oder nachbarschaftliche Hilfe geregelt werden kann, muss in der Stadt durch verschiedene Sozialeinrichtungen organisiert werden. Ein gutes Wohnungsangebot, Nahversorger für Lebensmittel, Kinderbetreuungseinrichtungen, Erreichbarkeit von Schulen und medizinischer Versorgung sind für das Leben in der Stadt von großer Bedeutung. (119)
Zuwanderer
Häufig konzentrieren sich Zuwanderer in bestimmten Wohnvierteln. Es entstehen Inseln, die von einer mehr oder weniger homogenen Volksgruppe mit anderer Muttersprache und Kultur dominiert sind. Diese Wohnviertel können eine erfreuliche, „bunte“ Erscheinung der Stadt sein, wenn sie nicht als Fremdkörper betrachtet werden. Es bedarf jedoch besonderer Anstrengungen der städtischen Wohn-, Verkehrs- und Schulpolitik, um zu verhindern, dass daraus Ghettos entstehen. Eine besondere Herausforderung liegt darin, den Frauen aus Immigrationsgruppen einen Weg aus Isolation und Ausgrenzung zu ermöglichen. (117)
Menschengerechte Kommunalpolitik
Die Kirchen erwarten von der Kommunalpolitik, die städtische Infrastruktur den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger laufend anzupassen. (129)
Die Kirchen treten ein für durchmischte städtische Lebensräume und für Verkehrs- und Kommunikationsnetze, die sozialen Zusammenhalt ermöglichen. (131)
Aktive Arbeitsmarktpolitik
Die Kirchen unterstützen alle Bemühungen, Frauen am Arbeitsmarkt dieselben Chancen einzuräumen wie Männern. Sie treten ein für gleiche Bezahlung gleichwertiger Arbeit. Gleichzeitig unterstützen sie Bemühungen, bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen Frauen und Männern gerechter zu teilen. (184)
Die Kirchen fordern die Bereitstellung ausreichender Mittel für die Schulung und Integration arbeitsloser Menschen in das Erwerbsleben. Dabei erwarten sie einen respektvollen und den jeweiligen Fähigkeiten entsprechenden Umgang mit den Arbeitsuchenden. (185)
Die Kirchen setzen sich ein für die Sicherung von Zeitwohlstand in Form gemeinsamer freier Zeiten. Dies bedingt auch die Beibehaltung des arbeitsfreien Sonntags, als wesentliches Element gesellschaftlicher Lebensqualität. (186)
Sozialen Zusammenhalt fördern
Neben Familien, Nachbarschaft und Freundeskreis übernehmen verschiedene Organisationen Verantwortung und sind zur Hilfe bereit. […] Die Beständigkeit dieses vielfältigen Engagements hängt entscheidend von materieller und ideeller Unterstützung und der öffentlichen Anerkennung ab. Es bedarf der besonderen Aufmerksamkeit der Gesellschaft, ein Klima der Beziehungs- und Bindungsfähigkeit zu erhalten und damit sozialen Zusammenhalt zu fördern und zu sichern. (76)
Eine Politik der Nachhaltigkeit
Für eine Neuorientierung braucht es entschiedene Maßnahmen wie: höhere Energieeffizienz, den Umstieg zu erneuerbaren Energien, teilweisen Konsumverzicht, fairen Handel, Marktpreise, die entsprechend dem Verursacherprinzip auch die ökologischen Kosten widerspiegeln, sinnvolle Verkehrskonzepte für Transit und Vorrang für öffentlichen Verkehr, sowie eine ökologische Steuerreform. (292)
Eine Hinwendung der Politik zur Nachhaltigkeit bedeutet den Wechsel von Kurzfristigkeit zu mittel- und langfristigen Strategien. Dies erfordert einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, der auf der zunehmenden Sensibilisierung von engagierten Gruppen und Bewegungen aufbauen
kann. (294)
Die Kirchen wenden sich an alle gesellschaftlichen Gruppierungen und die Medien, in der öffentlichen Diskussion legitime kurzfristige Einzelinteressen nicht gegen zukunftsorientierte Konzepte auszuspielen. (308)
Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich
Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich ist die Frucht eines intensiven vierjährigen Prozesses und soll weitere vertiefende Prozesse in Kirchen und Gesellschaft einleiten und inspirieren. Die Veränderungen und Herausforderungen in einer sich rasant entwickelnden Gesellschaft erfordern einen dauernden, intensiven Begleitprozess der Kirchen westlicher und östlicher Tradition in ökumenischer Verbundenheit. Das Sozialwort, geprägt vom lebendigen Wort Gottes, der Heiligen Schrift, soll dafür „Kompass“ sein.
Das Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich versucht aus christlicher Sicht wegweisende Antworten zu geben oder grundsätzliche Fragen zu stellen, um schließlich konkrete Schritte zur Umsetzung der erkannten Zeichen der Zeit aufzuzeigen. Es ist die Frucht eines Dialogprozesses und gleichzeitig eine Einladung für einen weiterführenden, vertiefenden Dialog zwischen Kirchen und Gesellschaft. Dieses Sozialwort spricht in die Gesellschaft. Es spricht zugleich die Kirchen selbst an, die Teil der Gesellschaft sind und an deren Entwicklungen teilhaben, zugleich aber bemüht sind, diese Entwicklungen aus christlicher Überzeugung mitzugestalten.
Vom Sozialwort zu sozialen Taten
Das Sozialwort selbst ist nur Papier. Um die Ideen, Wünsche und Vorstellungen darin Wirklichkeit werden zu lassen braucht es engagierte Christinnen und Christen, die hier aktiv werden. Was können Sie tun?
- Bringen Sie das Sozialwort als Thema in Gruppen ein, in denen sie aktiv sind
- Ermuntern Sie andere Gruppen, sich mit dem Sozialwort zu beschäftigen
- Verwenden Sie bei Diskussionen das Sozialwort als Argumentationsgrundlage
- Veröffentlichen Sie Auszüge aus dem Sozialwort an geeigneten Plätzen
- Versuchen Sie, engagierte Gruppen miteinander zu vernetzen
- Überlegen Sie, wo in Ihrer Gemeinde Forderungen des Sozialwortes noch nicht erfüllt sind und engagieren Sie sich dafür
- Bringen Sie das Sozialwort den politisch verantwortlichen Menschen in ihrer Gemeinde nahe
- Suchen Sie PartnerInnen für ihr Engagement auch in den anderen christlichen Kirchen
- Bringen Sie regelmäßig Forderungen und Themen des Sozialwortes zur Sprache
- Machen Sie beim sozialwort-tv mit
- ...