Ist die Pfarre mehr als die Feuerwehr oder ein Turnverein?
Als ich 16 Jahre alt war, wäre ich so gern Priesterin geworden. Diese Aufgabe schien mir total interessant. Man konnte sein soziales Engagement sehr vielfältig und abwechslungsreich gestalten und vor allem, man konnte jeden Sonntag predigen. Den anderen mehr oder weniger glühend die Leviten lesen, das schien mir damals eine erstrebenswerte Option. Das Beste an der Sache war, die anderen mussten zuhören.
Wir wissen, es gibt natürlich eine Möglichkeit, sich dem zu entziehen, indem man die Gedanken schweifen lässt. Eine Problemlösungsstrategie die sich, scheint es, in unserer Gesellschaft breitmacht. Ich habe eine Meinung oder eine Idee zu einer Sache, aber es interessiert mich nicht im geringsten, wie das die Anderen wahrnehmen.
Dabei ist das Aufeinanderhören der erste Schritt zu verstehen, was der andere meint.
Haben Sie schon mal ein synodales Gespräch geführt? Ich kann das nur empfehlen. Im ersten Moment hat man vielleicht den Eindruck, da geht ja gar nichts weiter, aber wenn wir ehrlich sind, wieviele gremiale Beratungen haben wir schon erlebt, in denen manche Monologe führen, während andere zur schweigenden Mehrheit gehören. Viel Potential unserer Mitmenschen bleibt so auf der Strecke.
Wer sich in einer Pfarre engagiert, kennt vermutlich das Zerriebenwerden zwischen Ansprüchen – den eigenen und denen anderer.
Beteiligt euch in einer konstruktiven Art und Weise am öffentlichen Leben. Engagiert euch gesellschaftpolitisch. Und vor allem – kümmert euch um eure tiefe Gottesbeziehung.
Und zwischen all diesen Ansprüchen bleiben wir stecken.
Denn eine oft beobachtete Komponente sind Reibungsverluste, die entstehen, weil Mitarbeitende sehr für eine Idee brennen, sich schon Lösungen ausdenken und diese eigentlich in den jeweiligen Gremien nur duchgewunken haben wollen, ohne einen wirklichen Austausch und kritisches Hinterfragen zuzulassen. Das beschreibt für mich das, was Papst Franciscus meinte, als er von den klerikalen Laien sprach.
Wir kennen dieses Phänomen natürlich auch vom öffentlichen Diskurs – nur ich allein habe die Wahrheit, jede gute Idee eines politischen Mitbewerbers darf nicht mehr gewürdigt werden.
Eigentlich sollte eine Pfarre prädestiniert sein, ein Ort zu sein, demokratisches Miteinander einzuüben, da sie Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten vereint.
Im Zusammenspiel mit den politischen Akteuren rangieren wir allerdings auf einer Ebene mit den Vereinen. Es gibt die Feuerwehr, den Turnverein,... und die Pfarre. Vermutlich liegt das daran, dass wir es aufgegeben haben, unsere Positionen zur Diskussion zu stellen. Wir ringen ja nicht einmal mehr miteinander darum.
Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang die Angst vor Zerwürfnissen und die Unfähigkeit adäquat darauf zu reagieren. Wo sind die Weiterbildungen und Schulungen für PfarrmitarbeiterInnen, in denen man Führungstätigkeit lernt? Wo man lernt, verschiedene Interessen auszugleichen?
Das sind die Skills die man braucht, um als Pfarre ein Ort zu sein, an dem man Miteinander-Leben und Ringen lernen kann. Das ist noch kein gesellschaftpolitisches Engagement, aber die Voraussetzung dafür.
Margit Pröglhöf-Piriwe ist Vizepräsidentin der KA Wien und stv. Vorsitzende des PGR der Pfarre Traiskirchen