Kirche und Gewerkschaft – warum diese Vernetzung wichtig ist
Die positive Verbindung zwischen Katholischer Kirche und Gewerkschaft ist historisch betrachtet jung. Zu Beginn der Gewerkschaftsbewegung Ende des 19. Jahrhunderts stand die Kirche in bezug auf die Situation der Arbeiter:innen auf der ‚anderen Seite‘, bis zur erbitterten Gegnerschaft im Austrofaschismus der 30erJahre.
Die tiefen Gräben zur organisierten Arbeiterschaft wurden ab Mitte der 1960ern sukzessive aufgefüllt, symbolträchtig durch die Rede von Kardinal König am ÖGB Kongress 1973 und durch konsequente pastorale Praxis in der KAB und Betriebsseelsorge. In der Enzyklika über die menschliche Arbeit (Laborem Exercens 1981) wurde dann ausdrücklich seitens des Papstes die unaufgebbare Rolle der Gewerkschaften im Kampf um soziale Gerechtigkeit anerkannt.
Sowohl der ÖGB als auch die Katholische Kirche sind in Österreich nach wie vor große zivilgesellschaftliche Organisationen mit ihrer je eigenen Struktur, aber sehr ähnlichen aktuellen Herausforderungen. Beide haben um gesellschaftliche Wirksamkeit zu kämpfen, ebenso um Akzeptanz und Engagement durch die junge Generation.
In der Katholischen Aktion, die sich als selbstverständlicher Teil der Kirche als aus dem Glauben begründete gesellschaftliche Kraft versteht, ist die Vernetzung mit der Gewerkschaft naheliegend. Die KAB als KA-Gliederung arbeitet auf verschiedenen Ebenen mit Gewerkschaftsvertreter:innen zusammen. Gemeinsam ist ihnen das Thema ARBEIT, im engeren Sinn die Erwerbsarbeit. Gerechter Lohn für Frauen und Männer, der mit den Lebenshaltungskosten Schritt halten muss, ist eine gemeinsame Grundforderung.
Im genauen Hinschauen zeigen sich nach wie vor große Ungerechtigkeiten in der Arbeitsbewertung. Arbeiten mit und an Menschen – in Pflege, Betreuung, Bildung - wird um vieles geringer bezahlt als Arbeiten mit Maschinen. Im Netzwerk fair sorgen sind daher sowohl die KAB als auch die gewerkschaftlichen Vertretungen des Pflegepersonals engagiert und fordern care, sich sorgen als Grundprinzip von Wirtschaft ein.
Die Säulen für die konkrete Gewerkschaftsarbeit im Betrieb sind die Betriebsrät:innen. Sie haben aus eigener Erfahrung den besten Einblick in die konkreten Arbeitsrealitäten. Hier sind die Möglichkeiten der Kirche bei weitem noch nicht ausgereizt, was die Wertschätzung und Unterstützung von Betriebsratsarbeit anbelangt.
Vor allem in den Pfarren finden sich wenige Berührungspunkte, die anstrengende und schwierige Arbeit von Betriebsrät:innen wird dort kaum wahrgenommen. Nicht so in der KAB. Es gibt auf allen Ebenen Kontakte und konkrete Zusammenarbeit, österreichweit z.B. gemeinsame Aktionen zum Tag der menschenwürdigen Arbeit. Heuer wurden Arbeitsfeldern wie Reinigung und Versorgung SICHTBAR gemacht, die meist, um sie billiger zu machen, aus den Betrieben ausgelagert werden. Arbeitnehmer:innen haben in Folge meist schlechtere Arbeitsbedingungen und keine betriebsrätliche Vertretung mehr.
Die KAB engagiert sich gemeinsam mit dem ÖGB für gerechte Verteilung und Vermögenssteuer, für existenzsicherndes Arbeitslosengeld und für kürzere Arbeitszeiten als Voraussetzung für eine faire Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit.
Ein gemeinsames Arbeitszeit-Thema ist schließlich auch der Arbeitsfreie Sonntag. Die Allianz von Kirche und Gewerkschaft ist in diesem Punkt bis heute wirksam. Unsere Gesellschaft braucht mehr denn je gemeinsame Pausen von der vielfach geforderten 7/24 Arbeitsgesellschaft, der sich alle menschlichen, familiären und gesundheitlichen Bedürfnisse unterordnen sollen. All diese Themen haben unmittelbare Auswirkungen auf den menschlichen Alltag.
Nur wenn mehrere gesellschaftliche Akteure gemeinsam für GUTE ARBEIT und ein GUTES LEBEN kämpfen entwickeln sie eine verändernde Kraft. Kirche und Gewerkschaft sind dabei nur logische Kooperationspartner.
Anna Wall-Strasser, Vorsitzende KABÖ
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.