Mit diesem Slogan hat die Wirtschaftskammer im Jahr 2005 viel Häme einstecken müssen und das hängt ihr bis heute nach – dabei hat er durchaus seine Richtigkeit. Der Fehler bestand allerdings darin, dass die Kammer damit einen vollkommen verengten Wirtschaftsbegriff transportierte. Es beginnt ja schon damit, dass es den Unternehmern gelungen ist, ihre Interessensvertretung Wirtschaftskammer zu nennen und nicht, was ja der Realität entspräche, als Gegenpart zur Arbeiterkammer – Unternehmerkammer. So kommt es, dass landläufig, wenn man von Wirtschaft spricht, an Unternehmer und Industrielle und die leitenden Personen der „For-Profit-Wirtschaft“ gedacht wird. Dabei umfasst eine funktionierende Wirtschaft aber alle Bereiche des Lebens, die mit Versorgung, Vorsorge und Fürsorge zu tun haben. Nicht umsonst leitet sich Ökonomie von Oikos – griechisch Haus – ab.
Die Hauswirtschaft ist also der Ursprung allen Wirtschaftens und ein großer Teil der Wirtschaftsleistung wird nach wie vor dort erbracht. Aber auch der Staat ist ein großer Wirtschaftsakteur, man kann ja weltweit beobachten, wozu der neoliberale Ansatz „mehr privat – weniger Staat“ geführt hat, nämlich zu kaputter Infrastruktur und mangelhafter Grundversorgung im Gesundheitswesen, der Bildung, Pflege usw.
Und es gibt auch noch den Non-Profit-Sektor der Wirtschaft, ohne den das Gemeinwohl auf der Strecke bliebe. Nicht umsonst ist die Caritas eine der größten Arbeitgeberinnen. Die private gewinnorientierte Organisation des Gesundheitswesens, des Bildungswesens, der Pflege hat zwar dazu geführt, dass mit öffentlichen Geldern Aktiengewinne gemacht werden können, aber keineswegs zur Verbesserung dieser Bereiche beigetragen.
Und dann gibt es noch einen großen Bereich, in dem ebenfalls gewirtschaftet wird. Das ist der illegale, bis kriminelle Teil der Wirtschaft, der bei der- wegen prekärer Verhältnisse oft erzwungenen - Schwarzarbeit beginnt, beim Drogenhandel und Menschenhandel aber noch lange nicht endet. Dieser Bereich agiert außerhalb der Regeln eines geordneten Gemeinwesens – die Verbindungen zur For-Profit-Wirtschaft sind aber leider sehr oft fließend.
All diese Wirtschaftsbereiche wirken zusammen, ergänzen und brauchen einander, deshalb ist es wichtig, die Gesamtheit der Wirtschaft im Blick zu haben, wenn wirtschaftspolitische Entscheidungen getroffen werden. Geschieht es doch sehr oft, dass Investitionen in die For-Profit-Wirtschaft als Akt der ökonomischen Ankurbelung gesehen werden, Investitionen in den Bereich der Care-Ökonomie aber zumeist als Kostenfaktoren gehandelt werden. Den Unterschied einer staatlichen Investition in den Straßenbau zu einer Investition im Care Bereich, muss man mir allerdings erst erklären. Beides sind Investitionen in die Zukunft und sorgen dafür, dass es uns gut geht. Allerdings sind Investitionen in die Bauwirtschaft in Zeiten der Klimakrise wesentlich kritischer zu hinterfragen als Investitionen in Bildung und Care-Bereiche. Auch ob ich meinen Lebensunterhalt im Dienstleistungsbereich oder in der Industrie verdiene, ist volkswirtschaftlich nicht wirklich relevant. Und wie relevant es für die Gesellschaft ist, ob ich meine Dienstleistung im Wissenschaftsbereich, in der Pflege, oder im Aktienhandel erbringe, muss erst untersucht werden. Wenn es nach der Bezahlung geht, ist es jedoch eindeutig geklärt. Deshalb sollten wir nicht nur den Wirtschaftsbegriff einer genaueren Prüfung unterziehen, sondern auch den Leistungsbegriff. Es erweist sich doch immer wieder, dass Vorstandsdirektoren längere Zeit ausfallen können, ohne dass ein Betrieb massiv darunter leidet – wenn die Putzfrau allerdings einen Tag nicht kommt, merken es alle.
Eines zeigt sich aber ganz deutlich, Arbeiten mit und für Menschen sind anderen Kriterien unterworfen als Tätigkeiten, die immer schneller rationalisiert und digitalisiert werden können. Dort ist Zeit ein Faktor, der meist nur bei Qualitätsverlust eingespart werden kann. Die Arbeit ist zumeist umso besser, je weniger Rationalisierungsdruck ich verspüre. Die Care-Arbeit kann auch nicht in einzelne Arbeitsschritte zerlegt und auf unterschiedliche Personen aufgeteilt werden, denn der kontinuierliche menschliche Kontakt ist wichtig. Deshalb braucht es ein verändertes Steuersystem, wo Sozialleistungen nicht vorwiegend vom Einkommen unselbständig Beschäftigter finanziert werden, denn dabei kommen personalintensive Wirtschaftszweige automatisch in die Krise.
Damit der Slogan „Geht’s der Wirtschaft gut – geht’s uns allen gut“ Wirklichkeit werden kann, sind viele Veränderungen nötig. Zuerst in den Köpfen, damit die ganze Breite der wirtschaftlichen Tätigkeiten wahrgenommen wird, aber dann vor allem auch eine Konsensfindung darüber, wie die Mittel für die Investitionen in die Zukunft unseres Gemeinwesens aufgebracht werden sollen und wer einen größeren Beitrag dazu leisten kann, ohne spürbare Einbußen zu erleiden. Und dann braucht es auch noch eine Grundsatzentscheidung dafür, dass das Streben nach einem guten Leben für alle, das Ziel wirtschaftlichen Handelns zu sein hat.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.