Allahu Akba – Gott ist groß, riefen die Hamas-Terroristen als Sie in Israel einfielen und dort wahllos Frauen, Kinder und Männer auf grauenhafteste Weise ermordeten, misshandelten und verschleppten.
Auf Gott und seine Offenbarung berufen sich aber auch Juden, für die das Rest- Palästina das biblische Samaria und Judäa ist. Sie fühlen sich von Gott beauftragt, dieses Land zu besiedeln und die Palästinenser von dort zu vertreiben.
Der christliche Antisemitismus war der Nährboden, auf dem die Nazis ihre Vernichtung der europäischen Juden aufbauen konnten.
Auf Gott beriefen sich aber auch die Nachfahren der Pilgerväter als sie der indianischen indigenen Bevölkerung das Land raubten.
Auch Russlands Putin holte sich für seinen Überfall auf die Ukraine Gottes Segen vom Patriarchen.
Gott wurde in Polen dazu benutzt, eine nationalistische, frauen- und fremdenfeindliche Politik zu legitimieren.
In Südafrika berief man sich bei der Errichtung des Apartheit-Staates auf biblische Quellen.
Auch die Hindu-Nationalisten glauben gottgefällig zu handeln, wenn sie die Moslems aus ihrem Land vertreiben wollen.
Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen. Aber ist wirklich die Religion schuld am Unfrieden in der Welt? Oder wird sie nur für menschenverachtende Zwecke missbraucht? Aber wieso ist es so leicht, sie zu instrumentalisieren und zu missbrauchen?
In allen Heiligen Büchern wird das Ringen der Menschen nach einem gottgefälligen Leben abgebildet. Das Streben nach einer Wahrheit hinter dem vordergründigen Zeitgeschehen, Schuld und Sühne, die Sehnsucht nach Geborgenheit, wird in einen größeren transzendenten Zusammenhang gestellt.
Aber diese heiligen Bücher sind auch Spiegel ihrer jeweiligen geschichtlichen Zusammenhänge. Die Erlebnisse von Menschen werden aus der Zeit heraus gedeutet. Mir sagte einmal ein Theologe, man kann die Bibel entweder ernst nehmen, oder wörtlich. Wenn man sie wörtlich nimmt, begibt man sich in das Reich der Magie. Dann wird aus der spirituellen Kraft, die sie vermitteln kann, ein geistloser Welterklärungsversuch.
Noch viel gefährlicher wird es aber, wenn man meint, mit dem Wörtlich-Nehmen der Heiligen Schriften, die letztgültige Wahrheit zu besitzen, der man gegenüber allen anderen zum Sieg verhelfen muss.
Es komme mir niemand damit, weil wir Christinnen und Christen durch das Stahlbad der Aufklärung gegangen sind, wir gegenüber fundamentalistischen Erklärungsversuchen immun wären. Man schaue nur in das Amerika Trumps und das Brasilien Bolsonaros – von Aufklärung keine Spur.
Die größte Tragik besteht darin, dass das Heilige Land dreier Weltreligionen seit Jahrtausenden der Schauplatz der fürchterlichsten Hassorgien ist. Gleichzeitig ist diesem Ort eine spürbare spirituelle Kraft zu Eigen. Gerade weil hier Menschheitserfahrung mit all ihren Abgründen, aber auch mit ihren transzendenten Möglichkeiten spürbar wird.
Es ist auch nicht zu leugnen, dass alle religiösen Schriften von Gewaltorgien und Unterdrückung anderer als gottgewollte Handlungen berichten. Dazu ist es nötig zu verstehen, dass die Ächtung von Gewalt erst ein sehr neues historisches Phänomen ist und mein Geschichtsunterricht noch in der Aneinanderreihung von Kriegen bestand.
Glaube und Religion wurzeln in unbewussten tiefen Prägungen, deshalb muss das, was durch religiöses Erleben und religiöse Deutung in uns geweckt werden kann, immer mit allen Sinnen, also auch mit unserem Verstand reflektiert werden, damit wir nicht den uralten Verführungen und überholten Deutungen erliegen.
Die Mehrzahl der religiösen Menschen schöpfen die Kraft, sich für ein gutes Leben einzusetzen, aus ihrem Glauben, aber wir sind alle nicht davor gefeit, vorschnell unsere kurzsichtigen und vordergründigen Vorstellungen von Gut und Böse als Gottes Willen zu interpretieren. Noch immer sprechen auch hier bei uns gläubige Menschen von der Strafe Gottes.
Religionen sind aber auch tragfähige weltweite solidarische Netzwerke, die sich für Gerechtigkeit und Menschenrechte einsetzen. Barmherzigkeit ist der Nährboden für christliches Handeln. Wir erleben das ganz unmittelbar. Caritas und Diakonie, die kirchlichen Organisationen der Entwicklungsförderung usw. sind dafür Beispiele, die wir alle kennen.
Religionen können heilsam sein und die Welt zum Guten verändern, wenn wir Suchende bleiben, vorsichtig mit Glaubenslehren und Gewissheiten umgehen und wenn wir einen großen Bogen um all jene machen, die glauben, die Wahrheit zu besitzen.
Dazu ist es unabdingbar, sich von all jenen zu distanzieren, die Religion als Instrument der Abgrenzung und als Machtinstrument missbrauchen und auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Wir können nicht für andere Religionen sprechen, aber wir müssen auch deren Missbrauch und Fehlentwicklungen scharf kritisieren.
Für uns Christinnen und Christen aber gilt, rückwärtsgewandten fundamentalistischen Ideologisierungen klar entgegenzutreten und nicht über alle Differenzen das, jeden Widerspruch erstickende, Mäntelchen der gemeinsamen Kirche zu breiten. Schweigen, um des lieben Schein-Friedens willen, führt zu immer weiterer Aufweichung klarer theologisch belegter Grundsätze. Kirchen werden dadurch bestenfalls irrelevant, im schlechteren Szenario werden sie zu Stützen unfriedlicher, nationalistischer, ausgrenzender und unsozialer Strömungen in unserer Gesellschaft.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.