Bei der Diskussion über Entschleunigung geht es nicht um „unsere Freiheit“, die dabei zur Disposition steht, sondern um eine für alle Menschen lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten.
Die Emotionalität, mit der die Diskussion über eine Entschleunigung im Straßenverkehr geführt wird, zeigt, dass es längst um mehr geht als um die Frage nach dem für das Klima und die Verkehrssicherheit „richtigen“ Tempo. Oft entsteht der Eindruck, dass nicht weniger als „unsere Freiheit“ zur Disposition steht.
Problematisch dabei ist gar nicht unbedingt, sich über das Freiheitsverständnis zu streiten. Eine solche Debatte ist mit Blick auf das hohe Gut der Freiheit tatsächlich wichtig. Dabei allerdings „unsere“ Freiheit zu rufen, und damit die eigene zu meinen, greift, aufgrund der globalen Dimension des Klimawandels, zu kurz.
Seien es die verheerenden Waldbrände auf Hawaii oder die Überschwemmungen in Slowenien und Österreich; die vielen Naturkatastrophen dieses Sommers zeigen deutlich, dass der Klimawandel uns alle betrifft und dessen Folgen uns jederzeit und überall treffen können. Die Frage nach den notwendigen Maßnahmen zur Verringerung der Klimafolgen kann demnach auch nur aus globaler Perspektive beantwortet werden.
In seiner Enzyklika Laudato si’, hebt Papst Franziskus diese globale Verantwortungsdimension hervor. Mit der Metapher des gemeinsamen Hauses, um das wir uns gemeinsam kümmern müssen, plädiert Franziskus für eine ganzheitliche Ökologie und fordert uns auf insbesondere auf die Stimme derjenigen zu hören, die von den Auswirkungen des Klimawandels überproportional betroffen sind.
In den fehlenden Reaktionen auf Naturkatastrophen in anderen, oft auch ärmeren, Ländern sieht Franziskus gar „den Verlust jenes Verantwortungsgefühls für unsere Mitmenschen auf das sich jede zivile Gesellschaft gründet“ (Laudato si’ 25).
Als Grund für den Verlust dieses Verantwortungsgefühls nennt Franziskus mitunter unseren beschleunigten Lebensstil. Im oft hastigen Alltag ist es schwer, die Verbundenheit mit der Natur und mit seinen Mitmenschen zu spüren und die eigene globale Verantwortung anzuerkennen.
Vor diesem Hintergrund ist nicht nur die konkrete Entschleunigung im Straßenverkehr von Bedeutung für das Klima, sondern es bedarf genauso einer Entschleunigung im alltäglichen Leben. Auch diese Form der (persönlichen) Entschleunigung ist die Voraussetzung für eine ganzheitliche Ökologie, wie wir in Laudato si’ lesen können: „Eine ganzheitliche Ökologie beinhaltet auch, sich etwas Zeit zu nehmen, um den ruhigen Einklang mit der Schöpfung wiederzugewinnen […]“ (Laudato si’ 225). Entschleunigung, Ruhe und Stille sind von zentraler Bedeutung für die Gottesbegegnung, und folglich für die, wie Papst Franziskus es nennt, „ökologische Umkehr“ (Laudato si’ 216-221).
Aus Sorge für das gemeinsame Haus zu entschleunigen bedeutet demnach einerseits, seine Verantwortung für seine Mitmenschen und die Umwelt durch konkrete Maßnahmen und klimaschonendes Verhalten wahrzunehmen.
Es bedeutet aber auch, den Fuß ab und zu im übertragenen Sinne vom Gaspedal zu nehmen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sich über die Auswirkungen des eigenen Handelns auf andere Menschen und zukünftige Generationen bewusst zu werden und das Gefühl der Verbundenheit mit anderen und der Umwelt wiederherzustellen.
Denn bei der Diskussion über Entschleunigung geht es tatsächlich um mehr: es ist aber nicht „unsere Freiheit“, die dabei zur Disposition steht, sondern eine für alle Menschen lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten.
Noreen van Elk, PhD.
Institut für Systematische Theologie und Ethik, Fachbereich Sozialethik, Universität Wien.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.