Wenn der Blick in den Briefkasten Angst macht: Von der wachsenden Kluft zwischen Einkommen und den Kosten für Wohnen und Energie
„Ich habe Angst davor in den Briefkasten zu schauen“ sagt Frau Huber [1] und schaut dann schnell wieder auf die Tischplatte vor ihr. Es war ihr immer wichtig ihre Rechnungen pünktlich zu bezahlen, obwohl es schon bisher oft knapp und schwierig war das zu schaffen. Aber seit die Miete erhöht wurde und sich die Teilbeträge für Gas vervielfacht haben weiß sie nicht mehr weiter.
Sie hat Angst davor ihren Briefkasten zu öffnen, seit Tagen schon schiebt sie es vor sich her, aus Angst davor neuerlich eine Mahnung zu bekommen. Sie konnte die Miete im letzten Monat nicht bezahlen und weiß, dass sich das auch in diesem Monat nur ausgeht, wenn sie die Gasrechnung schuldig bleibt. „Wie soll das weitergehen?“ fragt sie mich „meine Pension wird ja nicht mehr höher!“ und während ich nach Worten für eine Antwort ringe geht mir vieles durch den Kopf:
So wie Frau Huber geht es mittlerweile vielen Menschen in Niederösterreich, das zeigt der Blick in die Statistik, die in Zahlen gießt was Frauen wie Frau Huber konkret und unmittelbar betrifft:
Betrug die durchschnittliche Bruttomiete (inkl. Betriebskosten) in NÖ 2011 399 [2] Euro, waren es elf Jahre später, im Jahr 2022 bereits 574 [3] Euro. Das entspricht einer Zunahme von knapp 44 % ( 43,9%) innerhalb von 11 Jahren und dabei sind die Teuerungen bei Gas und Strom noch nicht berücksichtigt, die vielen Menschen zusätzlich zu schaffen macht.
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Wohnen und Energie des NÖ Armutsnetzwerks tauschen sich laufend darüber aus wie sich bestehende Strukturen und aktuelle Entwicklungen auf Wohn- und Energiekosten auswirken und erarbeiten gemeinsam Ansätze um Wohnen und Energie für alle leistbar zu machen.
Um die massiven Belastungen in den Bereichen Wohnen, Energie, Lebensmittel abzufedern, braucht es strukturelle, langfristige, verlässliche Entlastungen, um Menschen Sicherheit zu geben. Konkret braucht es, neben anderen Maßnahmen, Reformen bei der Sozial- sowie der Wohnbeihilfe in Niederösterreich.
Wir haben als NÖ Armutsnetzwerk in den letzten Jahren in Gesprächen mit den Landesrätinnen, in Schreiben an die Mitglieder der Landesregierung und zuletzt auch im Rahmen einer Pressekonferenz im Dezember[4] mehrmals auf die Problematik der steigenden Wohn- und Energiekosten aufmerksam gemacht.
Das NÖ Armutsnetzwerk fordert daher unter anderem[5]:
Orientierung der Richtsätze in der Sozialhilfe an den tatsächlichen Wohn- und Energiekosten. Die Referenzbudgets der Schuldnerberatung, aber auch die verfügbaren Daten hinsichtlich der durchschnittlichen Mietkosten wären dafür ein Ansatzpunkt.
Eine Reform der Wohnbeihilfe, da derzeit viele Menschen in Niederösterreich durch dieses Förderinstrument nicht entlastet werden (u. a. da förderbarer Wohnraum nicht flächendeckend verfügbar, hohe Einstiegshürden,…)
Mag.a (FH) Barbara Bühler, Bakk.a phil. hat Soziale Arbeit und Soziologie studiert. Sie ist als Obfrau und Koordinatorin des NÖ Armutsnetzwerk sowie als Sozialarbeiterin im Psychosozialen Dienst tätig.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen .
Das NÖ Armutsnetzwerk ist ein unabhängiges, überparteiliches und überkonfessionelles Netzwerk aus 30 Organisationen und über 40 Personen und als regionales Netzwerk Teil der österreichischen Armutskonferenz. Ziel des NÖ Armutsnetzwerks ist es, Probleme von Menschen, die von Armut betroffen sind, aufzuzeigen, Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten und sich für deren Umsetzung einzusetzen.
Die Mitgliedsorganisationen des NÖ Armutsnetzwerks (Stand Jänner 2023):
AK Niederösterreich | arbeitplus – Soziale Unternehmen in NÖ |Arge SÖB Niederösterreich | Auge Arbeitsgemeinschaft unabhängige und grüne Gewerkschaften | Beratungsstelle FAIR Volkshilfe Wien | bewok- Beratung gegen Wohnungsverlust | Büro für Diversität der Stadt St. Pölten | Caritas Erzdiözese Wien | Caritas Diözese St. Pölten | Diakonie Flüchtlingsdienst | Emmausgemeinschaft St. Pölten | Frauenplattform Krems | HSSG- Hilfe zur Selbsthilfe seelische Gesundheit | Katholische Aktion der Diözese St. Pölten | katholisches Bildungswerk kbw | NÖ Landesverein für Erwachsenenschutz – Erwachsenenvertretung, Bewohnervertretung | Tender Verein für Jugendarbeit | Psychosoziales Zentrum Schiltern GesmbH | PSZ gGmbH, Rotes Kreuz NÖ | SAM NÖ GmbH | Schuldnerberatung NÖ gGmbH | Verein Jugend und Lebenswelt | Verein Frauenzentrum St. Pölten | Verein Soziale Initiative Gmünd | Verein Wohnen | Verein Wohnen und Arbeit | Vertretungsnetz | Volkshilfe NÖ |zb zentrum für beratung, training und entwicklung.