Anfang 2019 als kleine Gruppe in Münster in Deutschland entstanden, ist die Initiative Maria 2.0 vor allem in Deutschland sehr aktiv und präsent. Aus der ursprünglichen Frage : „Wie heute glaubwürdig von Gott in dieser römischen Kirche erzählen und den Glauben vor der eigenen Familie rechtfertigen?“, ist eine große Graswurzelbewegung entstanden, die sich für echte Reformen in der Kirche einsetzt.
Dabei waren die Ergebnisse der MHG-Studie vom September 2018, die den sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in der Kirche Deutschlands zum Thema hatte , mit ein Auslöser für die Gründung der Reformbewegung. Auch wenn in Österreich durch die Einrichtung der Klasnic-Kommission (2010) und der Erstellung eines Präventionskonzeptes andere Voraussetzungen vorliegen, hat die Initiative Maria 2.0 auch bei uns Einiges in Bewegung gebracht.
In einigen Pfarren wurden Aktionen gestartet: von einem Kirchenstreik, Informationsabenden zum Thema: „Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche, Interviews in Radio und Fernsehen bis hin zu einem Fackelzug in Graz, gab und gibt es eine bunte Vielfalt an Aktivitäten. In der Pfarre Inzersdorf St. Nikolaus in Wien Liesing www.pfarresanktnikolaus.at hat sich eine aktive Maria 2.0 Gruppe gebildet (nächste geplante Aktion am 15. Mai 2022) und auch in der Steiermark gibt es eine Gruppe (Facebook), die im www.hausderfrauen.at in St. Johann/Herberstein einen Platz gefunden hat.
Die Frauen (und auch Männer) von Maria 2.0 in Deutschland sind frech, sehr direkt und überaus kreativ in Ihren Aktionen, irritieren und rufen auch Ablehnung hervor. Die Unterstützung ist dennoch groß und verbindet ganz junge Menschen, deren Lebenswirklichkeit von Gleichberechtigung, Partizipation und Inklusion geprägt ist mit älteren Menschen, die in der Zeit des 2. Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren selber jung waren, und sich an die großartige Zeit voller Hoffnung und einer großen Aufbruchsstimmung in der Kirche zurückerinnern und deshalb diese Initiative mittragen.
Die Pandemie hat ebenfalls Chancen eröffnet, neue Wege zu gehen und Traditionen zu hinterfragen. Der Reformstau in der römisch katholischen Kirche ist riesig und die Ratlosigkeit, ob der großen Zahl an Menschen, die dauerhaft die Kirche verlassen, spürbar.
Die Frage nach einer glaubwürdigen, geschlechtergerechten Kirche, die in die Zukunft führt, ist seit langem auch bei uns in Österreich Thema: Es gibt eine große Fülle an Literatur zum Thema Frauen in der Kirche, Vortragsreihen und unzählige Diplomarbeiten und Dissertationen liegen vor.
So manche Frauengestalt in der Bibel erzählt von großem Mut und Selbstermächtigung. Frauen in der Geschichte der Kirche erlebten Unterdrückung und erzählen von Unrecht und ungerechten Strukturen.
Bis heute erfüllt Menschen eine große Sehnsucht nach einer gerechten Kirche, die sich für Frauenrechte auf der gesamten Erde einsetzt und der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Gerechtigkeit nicht mühsam hinterherhinkt, sondern wegweisend wirkt, getragen vom Wissen der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen.
Die Vision einer echten geschwisterlichen Kirche: Wo Charismen und Aufgaben nicht an ein von Männern festgelegtes Geschlechterverständnis gebunden sind. Wo auch die Berufung von Frauen zu priesterlichen Diensten möglich ist. Wo wir alle, wie Daniel im Alten Testament für Susanna Gerechtigkeit erkämpft, auch wir füreinander einstehen ohne auf das Geschlecht festgelegt zu werden. Wo Männer die Botschaft von der Auferstehung nicht als Geschwätz abtun, sondern, wie Petrus zum Grab laufen und selber nachsehen und dazulernen. Wo Frauen, denen durch Männer Gewalt angetan wurde, selbstverständlich Frauen als Seelsorgerinnen begegnen.
Frauen feiern gemeinsam gestaltete Liturgien, leiten Gemeinden, gestalten feministische Exerzitien, Bibelrunden, Gebetsabende und gehen gemeinsam Pilgerwege. Eine große Vielfalt und Buntheit ist dabei spürbar. Ja, es ist eine große Lebendigkeit erkennbar und das Netz an Menschen, die an einer glaubwürdigen und gerechten Kirche arbeiten, lässt sich laufend weiterknüpfen. Maria 2.0 ist dabei nur eine von vielen neuen Initiativen auf dem Weg in eine Kirche mit Zukunft.
Auch in Österreich sind einige Initiativen aktiv, um eine erneuerte Kirche zu bauen:
In Innsbruck ist „Maria Magdalena und Co“ aktiv: Monatlich trifft sich diese Gruppe, um draußen vor einer Kirche zu feiern, um so die Ausgrenzung und Ungerechtigkeit sichtbar zu machen. Ebenfalls monatlich werden im Namen einer biblischen Frau, Briefe an den Bischof geschickt, um Traditionen zu hinterfragen und die biblische Botschaft ins Heute zu übersetzen. 2019 ist der Blog: bleiben-erheben-wandeln, mit Statements von 50 Frauen, die in und für die Kirche arbeiten, entstanden, der mittlerweile ergänzt durch weitere 30 Statements in 2.Auflage als Buch („Frauen machen Kirche“) erschienen ist.
Menschen der Initiative „Eine Stimme geben“ (facebook)waren wochenlang mit den beiden Büchern von Sr Philippa Rath OSB („Weil Gott es so will“ und „Frauen ins Amt“) im Rucksack quer durch das ganze Burgenland unterwegs, und haben hunderte Unterstützungsunterschriften „erpilgert“, die am 19. April 2022 in Eisenstadt dem Vertreter des Bischofs überreicht wurden.
Die Initiative Maria2togo der Kj und Jungschar lädt in Wien ein, Kirchenführungen zu starken Frauen zu erleben.
Die kfb arbeitet seit vielen Jahren österreichweit zum Thema Frauen in der Kirche. Innerhalb der katholischen Aktion ist dazu neu eine Zusammenarbeit zwischen kfb und kj entstanden.
In Oberösterreich ist die Initiative https://www.talitakum.at rund um Margit Schmidinger, die mit Ihrem Anliegen 2020 bis Rom gepilgert ist, bis heute aktiv.
Die Gruppe der „Myrophorinnen“, die sich „Segnen und Salben“ zur Aufgabe gemacht haben, ist im Wiener Diakoneninstitut beheimatet. In der Schweiz ist die https://juniainitiative.com aktiv
an einer geschlechtergerechten Kirche und dabei wird offen über vermeintliche Tabuthemen, wie Frauenpriestertum, Ende des Pflichtzölibats und einem Ende der Diskriminierung von Frauen in der Kirche diskutiert. Durch die weltweiten Niederlassungen von Orden, wird auch sichtbar, dass die Probleme einander zwar überall auf der Welt gleichen, nur durch die unterschiedliche wirtschaftliche Abhängigkeit die Möglichkeiten des Protestes ungleich verteilt sind.
Es lohnt sich in Situationen der persönlichen Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit diese Vielfalt zu entdecken. Das kann zu einer großen Kraftquelle werden, denn die Botschaft Gottes mit Hoffnung und Liebe für alle Menschen hat bis heute Kraft, die uns in der heiligen Geisteskraft zu Pfingsten zugesagt ist. Knüpfen wir weiter an diesem Netz für eine gerechte Kirche, die allen Menschen Wege zu Gott eröffnet.
Der Kommentar ist die persönliche Meinung der Autorin/des Autors und muss nicht mit der Meinung der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien übereinstimmen.